Seit gut vier Jahren können Bürger auf abgeordnetenwatch.de einen digitalen Dialog mit ihren
Bundestagsabgeordneten führen. Dabei ist das
Echo der Politiker geteilt: Zeitverschwendung sagen die Einen, sinnvolles Vermittlungsmedium die Anderen. politik-digital.de hat auf beiden Seiten nachgehakt.

Knapp ein Jahr sind die Abgeordneten des 17. Deutschen Bundestages nun im
Amt. Der Hype des Wahlkampfs ist verflogen, der politische Alltag
dominiert wieder das Leben der MdBs. Das spiegelt sich auch im
Frageportal abgeordnetenwatch.de wieder. Die Antwortquote ist seit
September 2009 von 86 auf 74 Prozent gefallen. Gregor Hackmack,
Mitgründer der Seite, hält den prozentualen Abfall allerdings für
nachvollziehbar: „Im Jahr nach der Wahl müssen die Politiker erst einmal
durchatmen“.

Immerhin: Rund drei Viertel der Bundestagsabgeordneten antworten auf
veröffentlichte Bürgerfragen – manchmal mehr, manchmal weniger
regelmäßig. Dies belegt auch das kürzlich veröffentlichte Abgeordnetenzeugnis.
275 Parlamentarier erhielten darin ein „sehr gut“. Das ist fast die
Hälfte aller Abgeordneten. Bewertet wurde in dem Zeugnis sowohl die
Quote der beantworteten Fragen als auch deren Inhalt. So wurden zum
Beispiel Antworten, die nicht auf den Inhalt der Frage eingehen und
stattdessen auf andere Kontaktmöglichkeiten verweisen, nicht gewertet.

Schwarz-Gelbe Spitzenreiter

Michael Fuchs (CDU),
stellvertretendes Mitglied in den Ausschüssen für Verteidigung sowie
Wirtschaft und Technologie, führt die Notenliste an.
abgeordnetenwatch.de sei die größte Möglichkeit, über soziale Netzwerke
mit den Bürgern in Kontakt treten zu können, heißt es dazu aus seinem
Büro. Man habe mit dem Portal durchweg positive Erfahrungen gemacht.

Auch FDP-Generalsekretär Christian Lindner
zählt mit zu den aktivsten Abgeordneten auf abgeordnetenwatch.de. Die
Seite sei durchaus als Vermittlungsmedium zu schätzen, begründet der
zuständige Mitarbeiter aus seinem Team gegenüber politik-digital.de das
Engagement des Politikers. Lindners Antworten sind dabei oft sehr
direkt. Fällt die Frage nicht in die Fachressorts des FDP-Politikers,
wird sie an andere Abgeordnete verwiesen. Und auch auf polemische Beiträge werden entsprechende Rückmeldungen verfasst.

Druck auf Abgeordnete

Viele der Abgeordneten antworten regelmäßig, aber nicht immer auf alle Fragen. So auch Christine Lambrecht (SPD),
Mitglied im Rechtsausschuss. Dabei sieht sie das Portal auch durchaus mit
einem kritischen Auge. abgeordnetenwatch.de würde die
Internet-Öffentlichkeit nutzen, um Druck auf Abgeordnete auszuüben, so
Lambrecht. Die veröffentlichten Statistiken
würden zu viel Wert auf das Verhältnis von offenen zu beantworteten
Fragen legen, die Inhalte politischer Diskussionen wären dabei nur
zweitrangig. Ein weiteres Problem sei, dass man als Politiker gerade vor
Wahlen mit Fragen „zugepflastert“ werden würde, was kaum noch Platz für
die eigentliche Arbeit ließe.

Komplette Enthaltung

Knapp ein Sechstel aller Bundestagsmitglieder sind laut dem
Abgeordnetenzeugnis nicht aktiv auf abgeordnetenwatch.de, so zum Beispiel
auch Karl Lauterbach (SPD),
Mitglied im Ausschuss für Gesundheit. Die Begründung aus seinem Büro:
Die Seite sei werbefinanziert und Lauterbach möchte mit seinen Beiträgen nicht für Produkte
als Werbeträger fungieren. Außerdem habe er eine
eigene Homepage, über die man ihn erreichen könne. Thomas Dörflinger (CDU),
Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales, sieht das ähnlich. Es
brauche keinen Mittler zwischen Bürgern und Abgeordneten, die
Weiterleitung einer E-Mail durch abgeordnetenwatch.de sei schlicht
überflüssig, so Dörflinger gegenüber politik-digital.de.

„Alles im Rahmen des Leistbaren“

Gregor Hackmack steht der Kritik positiv gegenüber. Ein Vorteil von
abgeordnetenwatch.de sei, dass die Fragesteller selber die Richtung
vorgeben könnten. Auf anderen Social Media Profilen oder persönlichen Webseiten würden die Abgeordneten den Bürgerdialog nur zum
Eigenmarketing nutzen. Außerdem entstehe durch das Zulassen von
zynischen Fragen eine gegenseitige Gleichbehandlung und ein „Dialog auf
Augenhöhe“. Schließlich würden auch die Parlamentarier manchmal ordentlich
austeilen. Eine „Überforderung“ der Abgeordneten durch die Anzahl der
Fragen sehe er auch nicht, denn jeder Politiker erhalte im Schnitt nur
20 bis 25 Fragen pro Jahr. „Und das ist schaffbar“, so Hackmack.