Dänemark ist nicht nur europäischer Spitzenreiter beim Ausbau des Breitbandnetzes, sondern auch Pionier in der digitalen Verwaltung. Seit November dieses Jahres versenden dänische Behörden ihre Post nur noch in digitaler Form – eine Schlüsselrolle kommt dabei der Telemedizin zu.

Der Rentenantrag, die Baugenehmigung, der Antrag auf Wohngeld, auf finanzielle Zuschüsse für Alleinerziehende oder auch der Antrag auf Ehescheidung – für all diese Aktivitäten bedarf es in Dänemark nun keines Behördengangs mehr, sondern allein des Zugangs zu einem Computer und einer digitalen Identitätsregistrierung. Seit der ersten Digitalisierungsstrategie aus dem Jahr 2001 wird in Dänemark stetig auf den Umbau der analogen zur digitale Verwaltung hin gearbeitet.
So versenden dänische Behörden seit dem 1. November 2014 keine Formulare oder sonstige Post in Papierform mehr, vielmehr finden alle Bewohner Dänemarks, die älter als 15 Jahre sind, die an sie adressierte offizielle Post seither in ihrem digitalen Briefkasten. Waren Anfang Dezember insgesamt 4,2 Millionen Nutzer registriert, was 89,5 Prozent der dänischen Bevölkerung entspricht, gab es nur knapp 500.000 Einwohner, die von der Teilnahme der E-Post befreit waren und weiterhin ihre offiziellen Briefe in Papierversion erhalten.
Gründe für die Nichtteilnahme am digitalen Postverkehr sind nicht etwa datenschutzrechtliche Bedenken, sondern in erster Linie nachweisbare Schwierigkeiten, Zugang zu einem Computer mit ausreichender Internetverbindung zu haben, „physische oder kognitive Einschränkungen, die den Empfang digitaler Post behindern“ (so der offizielle Wortlaut) oder auch Obdachlosigkeit. Die aus Deutschland bekannten Bedenken in Bezug auf Datenschutz, sind in Dänemark wenig verbreitet. Dies mag zum einen an einer Art Gewöhnungseffekt liegen, denn seit Ende der 1960 Jahre erhalten alle Bewohner Dänemarks eine zehnziffrige Identitätsnummer (CPR-Nummern), mit Hilfe derer wesentliche Personendaten gesammelt werden. Zum anderen wird den dänischen Behörden ein insgesamt recht hohes Vertrauen entgegengebracht, die gesammelten Daten verantwortungsvoll zu verwalten. Und bis auf kleinere – von der nationalen Datenschutzbehörde (Datatilsynet) veröffentlichte – Verstöße scheint das Vertrauen gerechtfertigt.

Digitale Wohlfahrt durch digitale Lösungen

E-Post ist eine konkrete Initiative der dänischen Digitalisierungsstrategie, die von der Regierung, den Kommunen und Regionen gemeinsam getragen wird – und zwar mit dem Ziel, den dänischen Wohlfahrtsstaat zu modernisieren und die öffentliche Verwaltung zu effektivisieren. Zu den wesentlichen Eckpunkten gehören neben der papierlosen Kommunikation zwischen Verwaltung und Bürgern eine effektivere digitale Zusammenarbeit der Behörden sowie der Fokus auf digitale Wohlfahrt durch den Einsatz digitaler Lösungen.
Im Hinblick auf die öffentliche Verwaltung wird darauf gesetzt, dass die Behörden die Digitalisierung und die neuen Technologien dazu nutzen, effektiver zu arbeiten und Wissen zu teilen. „Dies soll einen zusammenhängenderen und überschaubareren öffentlichen Service schaffen“ so heißt es in der„Strategie für digitale Wohlfahrt 2014-2020“, die die dänische Regierung im Jahr 2013 veröffentlichte. Insgesamt sieben Bereiche umfasst diese Strategie, die auf eine mittlerweile zwölfjährige gemeinsame Zusammenarbeit des öffentlichen Sektors zum Thema Digitalisierung zurückgeht: Neben der Verwaltung wird auf die Bereiche Gesundheitsvorsorge und Pflege gesetzt sowie Telemedizin, Ausbildung, digitale Lehre und – als entscheidende Voraussetzung – eine bessere Breitbandabdeckung und verstärkte Entwicklung digitaler Kompetenzen. Offizielles Ziel der Strategie ist es, mithilfe digitaler Lösungen allen Dänen (besser als bisher) zu ermöglichen, selbst zur Wohlfahrt beizutragen und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

Schlüsselrolle Telemedizin

In Bezug auf den Bereich Telemedizin, auf den mit großem Nachdruck gesetzt wird, heißt es in der Strategie, dass mit Hilfe der Digitalisierung Wohlfahrt auf neue, effektivere Art bereitgestellt werden kann. Dabei wird der Telemedizin bei der Lösung von zukünftigen Gesundheitsleistungen eine Schlüsselrolle zugesprochen. „Dänemark gehört bereits zu den Ländern in der Welt, die weit gekommen sind bei der Nutzung von Telemedizin, um demografischen und ökonomischen Herausforderungen zu begegnen, die Dänemark und anderen Ländern in den kommenden Jahren bevorstehen“ heißt es in dem Strategiepapier.
Dass die erfolgreiche Umsetzung dieser Pläne stark von einer funktionierenden digitalen Infrastruktur abhängt, steht außer Frage. Vor diesem Hintergrund beabsichtigt die dänische Regierung bis zum Jahr 2020 sicherzustellen, dass landesweit Breitbandverbindungen mit 100 Mbit/s (Download) beziehungsweise 30 Mbit/s (Upload) verfügbar sind. Bisher sind nicht überall eine gleichmäßig gute Breitbandabdeckung und hohe Datengeschwindigkeiten zu finden: „Nur“ gut 70 Prozent aller dänischen Haushalte und Unternehmen haben einen Breitbandzugang mit einer Geschwindigkeit von 100 Mbit/s (Download), beziehungsweise 58 Prozent haben Zugang zu einer Geschwindigkeit von 30 Mbit/s (Upload). Dabei sind es vor allem die Inseln, von denen es viele in Dänemark gibt, die weit aus weniger gut ausgestattet sind als die meisten Festlandkommunen. Diese Problematik wird von offizieller Seite ernst genommen, und so stellte die Regierung im Sommer 2014 umgerechnet gut acht Millionen Euro bereit, um allein auf der Insel Bornholm für die betroffenen 10.000 Haushalte und Unternehmen den Zugang zum schnellen Breitband markant zu verbessern.

Breitbandausbau: Paradiesische Zustände

Verglichen mit dem Ziel der im August 2014 in Deutschland vorgelegten „Digitalen Agenda 2014-2017“, bis zum Jahr 2018 flächendeckend 50 Mbit/s verfügbar zu machen, mögen die dänischen digitalen Infrastrukturpläne für Deutsche paradiesisch wirken. Zweifellos gehört Dänemark bereits zu den Spitzenreitern beim Ausbau des Breitbandnetzes, was sich überaus deutlich auf die Nutzung und den Nutzen des Internets für die Bevölkerung bemerkbar macht. Diese Situation resultierte jüngst beim Web Index der World Wide Web Foundation in einer Platzierung Dänemarks auf dem ersten Platz .
Dass die Digitalisierung und mit ihr wohlfahrttechnologische Innovationen zukünftig ein wichtiges Element bei der Aufrechterhaltung und weiteren Gestaltung des dänischen Wohlfahrtstaats sein können, bezweifelt in Dänemark kaum jemand. Doch während einige Bereiche wie zum Beispiel die Verwaltung vorbehaltlos vom Einzug digitaler Innovationen profitieren, werden Stimmen laut, denen zufolge in einigen Bereichen wie beispielsweise der Pflege und Altenfürsorge, aber auch der Ausbildung und Lehre Rücksicht auf die Besonderheiten und Komplexität des Einsatzesgebietes genommen werden sollte. Bei aller digitaler Euphorie müsse der Wert direkter, sozialer Beziehungen berücksichtigt werden.
Mehr Infos zu Dänemark:
Die Studie „Von glücklichen Dänen lernen? Wohlfahrtsstaat und Zivilgesellschaft im demografischen Wandel“ von Birgit Stöber ist hier erschienen.

Bild: Martin Fish
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