Ein Portrait zum Abschied

 


Noch finden sich unter der Adresse des Weißen Hauses
die Geschichte und die Bilder der Clinton-Ära. In wenigen Tagen wird man hier auf Bush umstellen.

Bill Clinton geht am 20. Januar 2001 nach 8 Jahren Amtszeit in Rente. Der einst mächtigste Mann der Welt und nun jüngste
US-Präsident i.R. ist uns ans Herz gewachsen, um so mehr seit wir das Wahlunentschieden zwischen Bush und Gore und den
anschließenden unbefriedigenden Wahlsieg Bushs hinnehmen mussten.
Jetzt, wo wir wissen, was kommt, wird uns so richtig klar, was wir verlieren.
Seit Kennedy hatten die USA keinen Präsidenten mehr, der so cool war. Natürlich war Bill auch politisch erträglicher als das,
was vor ihm war und nach ihm sein wird, vor allem aber war er uns Europäern sympathisch.

Er war ein Präsident, der sich öffentlich zu seinen Mariuhana-Erlebnissen bekannte und dann beschwichtigend erklären musste,
dass er nie inhaliert habe. Wir glaubten ihm kein Wort.
Dann war da seine
Schwäche für Frauen,
die jede Menge Talkmaster mit Gag-Material versorgte. Über Geschmack
läßt sich zwar streiten und Ehebruch ist an sich verwerflich, bei Bill
war es aber anders. Der Mann hat halt auch Fehler und das ist
menschlich und somit verzeihlich. Und als er vor Gericht s
tand und ins Kreuzverhör genommen wurde, tat er uns schon fast wieder
leid. Schließlich wusste jedes Kind, dass es hier nicht um Bill und
Monica, sondern um den Sitz im Weißen Haus selbst ging.

 

Bill Clinton

Bill Clinton

Schließlich die
Grundstücksspekulationen
in Arkansas, die ziemlich unkoscher waren, aber wer wollte denn
einen so hoffnungsvollen jungen Präsidenten wegen ein bisschen Boden
abschreiben? Eben. Außerdem hatte Bill die erste ordentliche First Lady
seit langem vorzuweisen. Kein Charity-Mäuschen, sondern eine
ambitionierte und fähige Politikerin, die auch in schweren Zeiten zu
Bill hielt, zumindest politisch.

Bill brachte uns
die Vereinigten Staaten wieder ein bisschen näher und zeigte uns eine
Seite jenseits der Bigotterie, religiösen Moral und des permantenten
Football-Jubels, die USA jenseits der "Californication".

Was hat er
eigentlich politisch getan, um dieses Bild zu stützen? Zunächst war er
in einer Zeit Präsident, in der die Staaten den längsten unaufhaltsamen
Wirtschaftsaufschwung ihrer Geschichte erlebten. Dass das verlorene
Geld der Asien-Krise vor allem nach Nordamerika floß, war zwar nicht
wirklich Bills Verdienst, aber immerhin nutzte er das entspannte Klima.

Was wir auch an
ihm mochten, war der von ihm verfolgte Community-Gedanke. Die vielen
benachteiligten Bevölkerungsgruppen in den USA versuchte er zu
integrieren. Bei Bill wäre nicht passiert, was nun bei Bush geschehen
ist: der Songschreiber von Ricky Martin distanziert sich öffentlich von
seinem Star, weil dieser zu Bushs Inauguration singen will. Das, so der
Songwriter, sei ein Verrat an allem, wofür ein Puerto Ricaner stehen
sollte. Bei Bills Abschiedspartner wäre so ein Auftritt natürlich
völlig in Ordnung gewesen. Wahrscheinlich hätte Bill bei dieser
Gelegenheit zu seinem Saxophon gegriffen, was zwar ein bisschen
nostalgisch ist, für einen Herren in den 50ern aber sehr in Ordnung.

Die
Liberalisierung der Gesellschaft war vielleicht am Ende Clintons
größter Verdienst, größer als die Sozialreformen und der Ausgleich des
Haushalts. Ein Versöhner, aber keiner der ewig betroffen ist. Bill war
der erste Präsident, der aus der Generation der Babyboomer und als
Gegner des Vietnamkrieges gewählt wurde. Geradezu ein amerikanischer
Paradigmenwechsel, der nun nach acht Jahren Amtszeit auch wieder vorbei
sein dürfte.

Hinter all dem
Ruhm und der ungebrochenen Popularität ist Bill aber immer noch ein
Mann wie wir. Er hat nämlich -trotz wirtschaflicher "Hausse" ganz
beträchtliche private Schulden während seiner Amtszeit angehäuft und
die gilt es nun abzuzahlen. Bill könnte seine Memoiren schreiben und
uns noch mehr menschliche Züge einer Weltmacht offenbaren, aber
eigentlich ist das nicht sein Stil. Vielleicht hält er sich auch als
bezahlter Fest-Redner über Wasser, das macht sich in seinem Fall
bestimmt bezahlt. Viel eher möchten wir aber glauben, dass Bill der
erste "First Gentleman" der Vereinigten Staaten wird. Als solcher hat
er das Zeug zu einer zweiten Jacky O. Wir sehen schon die
Joggingschuhe, die er zum Kult machen wird und die Skandale, die ihn
vollends in den Rang eines Stars katapultieren. Bye Bye Bill – aber
vielleicht nicht für immer?