Die Berliner Parteien
machen mobil: Die Kandidaten sind nominiert, die Wahlkampfbüros eingerichtet,
erste Programmentwürfe stehen und die Spitzenkandidaten haben ihre Reise durch
die Talk-Shows angetreten. Dort kann sie jeder sehen, aber wie ist die Situation
im WorldWideWeb? Wir haben uns durchgeklickt und eine Bestandsaufnahme gemacht.

Ob der knappen Zeit und der noch knapperen Budgets scheint sich in Berlin
eher ein Personen- als ein Themenwahlkampf abzuzeichnen. Strahlemann Klaus Wowereit,
Entertainer Gregor Gysi und der dynamische Frank Steffel stehen bereit, um wieder
einmal auszutesten, inwieweit die Mediendemokratie in Deutschland schon Fuß
gefasst hat. Sybill Klotz von den Grünen und FDP-Kandidat Günter Rexrodt bleiben
zunächst noch etwas im Hintergrund. Und was für die persönlichen Auftritte gilt,
scheint sich auch auf den Internetseiten der Parteien fortzusetzen.

Begrenztes Engagement auf nationaler Ebene

Die zentralen Portale der großen Parteien SPD und CDU befassen sich immerhin
am Rande mit der Berlinwahl. Die CDU
stellt Frank Steffel – übrigens auf einer Seite, die auch unter www.frank-steffel.de
abrufbar ist – in mehreren Meldungen vor und berichtet über den Wahlkampfauftakt
mit Unterstützung von Bundespolitikern. Wer mehr wissen will, kann über einen
Link zur CDU Berlin weitersurfen und dort nach Informationen suchen.

Die SPD hat es sich leichter
gemacht: Zuoberst auf ihrer Seite weist sie auf den Wahlkampf in Berlin hin
und verlinkt gleich zu den entsprechenden Seiten der Landespartei. Dies erspart
den Machern der Seite viel Arbeit und ist auch effizient für die Nutzer.

Die kleineren Parteien hingegen üben größtenteils noch vornehme Zurückhaltung.
Bei der PDS springt dem
Surfer bei Aufruf der Seite ein Gysi-Plakat entgegen, und seit kurzem ist auch
ein Interview mit Gregor Gysi und der Entwurf des Wahlkampfprogramms abrufbar.
Weiterführende Informationen bekommt man hier jedoch nicht, auch ein direkter
Link zur Landespartei und deren Wahlkampfseiten wird nicht angeboten.

FDP und Grüne
zeigen noch weniger Web-Engagement – es scheint, als ob bei diesen Parteien
der Berliner Wahlkampf auf Bundesebene einfach kein Interesse hervorruft.

Landesparteien in den Startlöchern

Auf den Webseiten der Landesparteien ist eine ähnliche Gewichtung erkennbar.
Angesichts der Tatsache, dass für den Wahlkampf nur etwa 3 Monate verbleiben,
sind die Internetaktivitäten noch bescheiden, aber wer regelmäßig nachsieht,
kann in den letzten Tagen Veränderungen beobachten. Bei der CDU
Berlin
erscheint das Werbeplakat mit Frank Steffel groß auf der Indexseite
und verlinkt zu den bereits erwähnten Steffel-Seiten der Bundespartei. Darüber
hinaus ist jedoch nicht viel los auf den Seiten der Berliner CDU. Sucht man
in der seitlichen Leiste unter "Politik aktuell" nach Themen, wird man zur Wahlkampfplattform
für den 10. Oktober 1999 geleitet. Beim gleichnamigen Link innerhalb des Textes
erscheinen zwar Erneuerungsparolen, allerdings mit dem Namen von Eberhard Diepgen
überschrieben und nicht mit Datum versehen, was nahelegt, dass auch diese Aussagen
nicht ganz aktuell sind. Die Erneuerung bei den Christdemokraten scheint doch
noch etwas Zeit zu brauchen.

Mehr Aufmerksamkeit widmet die Berliner
SPD
dem Wahlkampf auf ihrem Internetauftritt. Die wichtigsten Themen inklusive
einer Presseschau zum Wahlkampf erscheinen großformatig auf der Indexseite;
ein eigener Link führt zu allen relevanten Artikeln. Seit dem 3. Juli kann hier
auch ein 10-Punkte-Wahlprogramm abgerufen werden, in dem die Ziele der SPD konkretisiert
werden. In einem eigenen Diskussionforum zur Abgeordnetenhauswahl wird eifrig
ermutigt, diskutiert und auch kritisiert. Für weiterführende Informationen ist
eine eigene Wahlkampfseite
eingerichtet worden.

Bei der Berliner FDP
steht an oberster Stelle auf der Startseite das Geständnis, dass sie keine ausreichende
finanzielle Grundlage für den Wahlkampf hat, gleichzeitig erfolgt ein Spendenaufruf.
An zweiter Stelle wird Günter Rexrodt als Spitzenkandidat vorgestellt und im
selben Atemzug auch seine Wahlkampfthemen Konsolidierung der Finanzen, Verkehrspolitik
und Schulsystem genannt. Mehr haben die Hauptstadt-Liberalen zu ihrem Wahlprogramm
leider (noch) nicht zu sagen – bei der Suche nach zusätzlichen Informationen
unter dem Button "Programm" stößt man auch hier auf Aussagen aus dem Herbst
1999.

Auch die PDS ist auf ihren Berlin-Seiten
sehr zurückhaltend mit Informationen zur Wahl. Optimistisch klickt der Surfer
auf den Button "Neuwahlen 2001", landet aber nur bei einem leicht erweiterten
Terminkalender. Der Titel der Seite ("geplant") wie auch an die noch nicht verlinkten
Verweise auf Kandidaten und Programm lassen hoffen, dass diese leere Hülle nach
dem Wahlparteitag der PDS Mitte Juli noch gefüllt wird. Bis dahin muss man sich
auch hier mit dem Entwurf des Wahlprogramms begnügen, den man bereits bei der
Bundespartei einsehen konnte.

Der derzeitige Auftritt der Berliner
Grünen
macht nicht besonders viel Lust zum Weitersurfen, eine Neufassung
der Seiten soll jedoch in der nächsten Woche abrufbar sein. Bis dahin muss man
sich mit einer einfachen Kandidatenliste, einer Pressemitteilung und drei Papieren
zum Download begnügen. Positiv fallen jedoch die ausführlichen Informationen
zur Briefwahl auf, die die Grünen als einzige der Berliner Parteien im Internet
zur Verfügung stellen.

Einzelinitiativen im Netz

Interessant wird es bei Gruppierungen außerhalb der Bundes- und Landesparteien.
Die FDP Charlottenburg-Wilmersdorf
möchte die Bürger mitreden lassen. Programmdiskussionen sowohl zum Landes- als
auch Bezirkswahlprogramm ermöglichen eine breite Partizipation aller Interessierten.
Ein interaktives Angebot, dass ruhig Schule machen darf.

Auch die Online-Wähler-Initiative
für Klaus Wowereit bietet neben den aktuellen Informationen über den Kandidaten
und die Partei die Möglichkeit, sich an Umfragen zu beteiligen, in verschiedenen
Foren zu diskutieren oder den eigenen Standpunkt im Gästebuch zu verewigen.

Einen Frank-Steffel-Fanclub kann man unter www.steffel-fanclub.de
im Internet besuchen. Dort wird ein Newsletter mit Informationen über die neuesten
Entwicklungen im CDU-Wahlkampf angeboten, und wer sich besonders engagieren
möchte, kann sich Steffel-T-Shirt und -Tasse bestellen sind und so offen seine
Sympathien kundtun. Interaktion sucht man hier bisher vergebens.

Mit Spannung bleibt zu erwarten, was mit den zahlreichen Domains passiert,
die zwar reserviert, aber noch nicht mit Inhalten gefüllt sind. Ein Beispiel
gibt es schon: Die Junge
Union Nettetal
hat sich Klaus Wowereits geflügeltes Wort "und das ist auch
gut so" für eine eigene – natürlich in die Irre führende – Domain unter diesem
Namen zu nutze gemacht. Die Grünen kämpfen nach eigenen Angaben noch um die
Rückgewinnung der Domain für Sibyll Klotz. Unter www.berlinwahl2001.de
wird noch gebaut – wer dort seine Wahlkampfplattform errichtet, bleibt vorerst
ein Geheimnis. Mit Sicherheit ist noch einiges an Kreativität zu erwarten. Der
Wahlkampf ist eröffnet. Let’s wait and surf.