Vertreter der Telekommunikationsbranche forderten in der vergangenen Woche in Brüssel das „Internet of Choices“, um den milliardenteuren Breitbandausbau, eines der Ziele der Digitalen Agenda für Europa, zu finanzieren. Bedeutet dies das Ende der Netzneutralität?

Am 13. Juli trafen sich die Manager führender Telekommunikations- und Internetfirmen in Brüssel im Auftrag der EU-Kommissarin für die Digitale Agenda Neelie Kroes, um Möglichkeiten zu finden, den europaweiten Breitbandausbau zu verwirklichen. Den Vorsitz der Arbeitsgruppe hatten Ben Verwaayen von Alcatel-Lucent, René Obermann von der Deutschen Telekom und Jean-Bernard Lévy von Vivendi. Kroes hatte im Vorfeld des Treffens gefordert, dass bis 2020 alle EU-Bürger einen Internetzugang mit einer Geschwindigkeit von mindesten 30 Mbit/s haben sollten. Voraussichtlich werde über die Hälfte der Bürger in Europa zu diesem Zeitpunkt sogar schon über eine Verbindung mit 100Mbit/s verfügen.

Insgesamt einigte man sich auf elf Vorschläge für die Realisierung der ambitionierten Zielsetzung der EU-Kommissarin.
Zunächst müsse klar sein, dass Europa Firmen brauche, die bereit seien, zu investieren. Daher sollten Anreize für Unternehmen, die zu einem Mehrwert beitragen wollen, geschaffen werden, forderte die Diskussionsrunde. Außerdem solle seitens der EU eine einheitliche Regelung für den Ausbau von Breitbandnetzwerken festgelegt werden.
Man sprach sich für eine Differenzierung im Preismanagement von Internetdiensten aus, da diese die finanziellen Mittel für Innovationen bringe. Dies sei wiederum im Interesse der Konsumenten und müsse daher im besonderen Maße gesichert werden. Daher solle der Markt des europaweiten Breitbandzugangs, des sogenannten „Next Generation Access“, differenziert sein und auf lokalen Gegebenheiten basieren. Die EU solle dafür Investmentbarrieren abschaffen, nachfragesteigernde Maßnahmen unternehmen und die Kosten für den Breitbandausbau senken.
Die Vertreter der Telekommunikations- und Internetbranche sehen die einzige Möglichkeit, den auf 180 bis 270 Milliarden Euro geschätzten Breitbandausbau zu realisieren, indem sie verschiedene Preise für unterschiedlich hohe Servicequalitäten berechnen. Schließlich komme ein Großteil des Investments nicht von der EU, sondern von privaten Unternehmen. Sollte sich die Kommission an den Ergebnissen dieser Arbeitsgruppe orientieren, hieße dies für den Bürger: „Auf Nimmerwiedersehen Netzneutralität! Willkommen Internet of Choices!“

Die Ergebnisse fließen mit in die Überlegungen der EU-Kommission für eine „Digitale Agenda für Europa, 2010 bis 2020“ ein. Bereits im vergangenen Jahr wurden Richtlinien verabschiedet und erste Arbeitsgruppen zum Thema schnelle Internetverbindungen und ihre Finanzierung gegründet. Aktuell werden verschiedene Konzepte durchgespielt, so dass 2013 erste Pilotprojekte gestartet werden können.