Das Jahr 1977 mit den Anschlägen der Roten Armee Fraktion gilt als Höhepunkt in der gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen dem deutschen Staat und der linksextremistischen Terrorgruppe. Eva Fiene hat sich auf die Suche nach den virtuellen Spuren der RAF begeben.

Die Bundesrepublik Deutschland sah sich mit einer Welle terroristischer Anschläge konfrontiert, die in dieser Art bis heute einmalig ist: Die Ermordung von Siegfried Buback und Jürgen Ponto, das Attentat auf die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, die Entführung und Ermordung von Hanns-Martin-Schleyer, das Kidnapping der Lufthansa-Maschine „Landshut“ und der kollektive Selbstmord von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe im Hochsicherheitsgefängnis Stuttgart-Stammheim.

1977 und der Terror der Roten Armee Fraktion haben tiefe Spuren im Gedächtnis von Politik und Gesellschaft hinterlassen und wirken zum Teil bis heute nach. Welche Inhalte zum Thema RAF und dem Deutschen Herbst finden sich im World Wide Web? Wie ist in Zeiten von IP-TV, Podcasts und Weblogs das Thema bearbeitet worden?

Es gibt im Internet natürlich Unmengen an Informationen zum Thema RAF, Deutscher Herbst und Linksterrorismus der 70er Jahre. Aus der überbordenden Menge die lesenswerten und informativen Angebote zu filtern, ist daher nicht einfach. In der folgenden kommentierten Linksammlung wird versucht, eine Übersicht über die Internetseiten zu geben, die einen guten Einblick in diesen Themenkomplex ermöglichen.

Aus der Offline-Zeit in die Online-Zeit: Zur RAF im Netz

Umfassende und multimedial aufbereitete Web-Dossiers zur Geschichte der Roten Armee Fraktion findet man als erstes bei den großen Medien wie tagesschau.de („Das schwierige Erbe der RAF“) oder www.zeit.de. Gerade in diesem Jahr wurden die Specials aktualisiert und um viele Audio- und Videodateien ergänzt.

Will man einen schnellen Einstieg in das Thema, ist das Angebot auf den Internetseiten der Tagesschau empfehlenswert. Interessant gemacht ist nicht nur die interaktive Zeitleiste, über die man mit der Maus durch die Jahre 1968 bis 1998 zu den einzelnen Ereignissen navigieren, die entsprechenden Bilder anklicken und sich unter anderem Original-Berichte aus der Tagesschau und dem Wochenspiegel ansehen kann.

Auch das ZDF hat in einem umfangreichen Spezial das Jahr 1977 bearbeitet. Neben einigen Hintergrundartikeln hat die Online-Redaktion komplette Fernseh-Reportagen, interaktive Interviews und Bilderserien zusammengetragen. Ungewöhnlich mutet der 360-Grad-Rundgang durch eine Ein-Mann-Zelle in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim an. In seine Mediathek hat das ZDF zudem viele Beiträge, beispielsweise aus dem heute-journal, eingestellt. Will man sich dem Thema auf philosophische Art und
Weise nähern, gibt es im Archiv der Mediathek eine Sendung aus dem Philosopischen Quartett vom 3. Juni 2006. Unter dem Titel „68 und die RAF – Eine romantische Affäre?“
diskutierten Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski mit dem Filmregisseur Volker Schlöndorff und dem SPIEGEL-Kulturchef Matthias Matussek über die 68er-Studentenbewegung und ihre Auswirkungen auf das Leben heute.

Die tageszeitung widmet sich in einem aktuellen Dossier dem Thema RAF, wenn auch hier „nur“ Texte
zu finden sind. Die Redaktion der taz hat jedoch lesenswerte Kommentare namhafter Autoren zusammengetragen, beispielsweise schreibt der Forscher Herfried Münkler über „Das Chamäleon Terrorismus“, Antje Vollmer und Michael Sontheimer haben über Bad Kleinen und den Tod von Wolfgang Grams Beiträge verfasst.

Spiegel Online bietet Grafiken, Zeitleisten, Videos und Hintergrundtexte zum Thema RAF. Außerdem finden hier interessierte Leser Kurzbiografien aller RAF-Terroristen der ersten bis dritten Generation und ihrer Opfer sowie weiterer wichtiger Personen, wie zum Beispiel Bundeskanzler Helmut Schmidt oder BKA-Chef Horst Herold. Interessant ist auch eine interaktive Grafik, die den Ablauf des Attentates auf Generalanwalt Siegfried Buback veranschaulicht. Das Dossier ist durch aktuelle Meldungen und Hintergrundberichte stets auf dem neuesten Stand.

Neben den Angeboten der etablierten Medien, findet man auf der Internetseite www.rafinfo.de eine Fülle an Informationen zur Roten Armee Fraktion von ihrer Entstehung bis hin zur Auflösung 1998. Die Seite ist laut Aussage des Autors, Andreas Gohr, allein aus Interesse am Thema entstanden. Gohr hat auf seinen Seiten nicht nur Fakten zur Geschichte der Roten Armee Fraktion zusammengetragen, sondern man findet hier auch eine umfangreiche Linkliste zu verschiedenen Themenbereichen, Kurzbiographien und Literaturtipps.

Die Schriften der RAF und weitere Original-Quellen

Sämtliche Schriften der RAF, wie zum Beispiel „Das Konzept Stadtguerilla“ oder „Die Rote Armee aufbauen“, und weitere Erklärungen finden sich im Original auf den Seiten des linken Informationssystems Nadir.org. Auch andere zeithistorische Dokumente, wie „Zur Isolationshaft“ oder „Zum Tod von Ulrike Meinhof“, finden sich hier im Original – für jeden, der sich für die RAF interessiert, ein unkommentierter Einblick in die Gedankenwelt der Terroristen.

Ein Zeitzeugnis hat der SWR auf seinen Seiten online gestellt: Bisher unveröffentlichte Tonbandaufnahmen von Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Jan-Carl Raspe aus dem Prozess in Stuttgart-Stammheim können hier angehört werden. Die O-Töne der angeklagten Terroristen machen die aggressive Atmosphäre, die den Prozess bestimmte, greifbar. Neben den O-Tönen bietet die Online-Redaktion ebenfalls ein umfassendes Spezial, unter anderem mit Archiv-Radiobeiträgen aus den betreffenden Jahren.

Die RAF in Kunst und Film

Auch künstlerisch haben sich Ausstellungs- und Filmemacher dem Thema RAF genähert. Hervorzuheben ist hier das mit vielen Preisen ausgezeichnete und hervorragende Doku-Drama „Todesspiel“ von Heinrich Breloers (1997). Leider kann man auf www.zeit.de nur Ausschnitte des Zweiteilers sehen: Todesspiel Teil 1 und Todesspiel Teil 2.

Auch andere Filme wie „Black Box BRD“ (2001) oder „Starbuck Holger Meins“ (2002) sind im Netz leider nicht in digitaler Form zu finden. Auf den entsprechenden Internetseiten findet man jedoch Zusammenfassungen der Filme und Hintergrundinformationen zum Thema.

Die RAF-Ausstellung „Zur Vorstellung des Terrors“ aus dem Jahre 2003 entfachte eine Kontroverse um die Herangehensweise an das Thema RAF und den Terror: Von „Sorglosigkeit der Kunst im Ungang mit der Geschichte“ (Spiegel Online) war hier zu lesen oder dass die Ausstellung von den Opfern lieber schweige (http://www.zeit.de/2005/05/RAF-Ausst_). Die Redaktion von www.zeitgeschichte-online.de hat auf ihren Seiten die Diskussion dokumentiert und viele Texte um die Ausstellungsdebatte zusammengetragen.