Wolfgang Bosbach
im tacheles.02-Chat am 28.04.2004


Moderator:
Liebe Politik-Interessierte, willkommen im tacheles.02-Chat. Die Chat-Reihe
tacheles.02 ist ein Format von tagesschau.de und politik-digital.de
und wird unterstützt von tagesspiegel.de und von sueddeutsche.de.
Zum Chat ist heute der Unionsfraktionsvize und Innenexperte Wolfgang
Bosbach ins ARD-Hauptstadtstudio gekommen. Herr Bosbach, sind Sie bereit
für den 60-Minuten-Chat mit unseren Usern?

Wolfgang Bosbach, Unions-FraktionsvizeWolfgang
Bosbach:
Ich freue mich darauf.

Moderator: Wir wollen in der nächsten Stunde
verschiedenste Themen ansprechen: Kanzlerkandidaten-Frage, Schicksal
der GSG-9-Beamten im Irak, Terrorismus, Bundespräsidentenfrage,
Zuwanderungsgesetz. Doch erst eine Frage vorweg: Auf welchem Gebiet
ist die Union Ihrer Einschätzung nach momentan am erfolgreichsten?

Wolfgang Bosbach: In der Wirtschafts-und Arbeitsmarktpolitik,
weil wir da schon am Beispiel Neuregelung für die Minijobs nachweisen
konnten, dass unsere Ideen zur Belebung des Arbeitsmarktes die Richtigen
sind. In diesem Bereich wurden hunderte neue Arbeitsplätze geschaffen.

Moderator: Stichwort Terrorismus:
Ihrer Meinung nach wird die Gefahr des islamistischen Terrorismus in
Deutschland noch weitgehend unterschätzt. Was müsste am dringendsten
getan werden?

Wolfgang Bosbach: Wir müssen uns die Menschen,
die nach Deutschland einreisen wollen, näher ansehen und es muss
wieder gelten, im Zweifel für die Sicherheit und nicht wie zur
Zeit für die Einreisefreiheit. Wir müssen uns von ausländischen
Straftätern, gewaltbereiten Islamisten und Terrorhelfern leichter
trennen können, als das derzeit möglich ist. Wir müssen
aber auch die geistige Auseinandersetzung mit denen führen, die
unsere freiheitliche Ordnung stören wollen.

Claudia: Im Hilton-Hotel in Berlin war gerade wieder
ein Fehlalarm, reagieren wir inzwischen auf Terrordrohungen nicht viel
zu sensibel?

Wolfgang Bosbach: Es gibt keinen Grund, die Sicherheitslage
zu dramatisieren, aber wir dürfen sie auch nicht bagatellisieren.
Wenn die Sicherheitsbehörden ernstzunehmende Hinweise auf ein möglicherweise
stattzufindendes Attentat bekommen, dann bleibt ihnen nichts anderes
übrig, als zur Gefahrenabwehr das Gebäude räumen zu lassen
und nach Sprengstoff zu suchen, oder anderen Gefahrenquellen.

bluemoon: Welche Kriterien sollen denn da gelten?
Müsste nicht viel mehr Datenaustausch zwischen den Geheimdiensten
erfolgen? Was spricht denn gegen ein deutsches FBI?

Wolfgang Bosbach: Der reibungslose und direkte Austausch
von Daten und Informationen ist zur Terrorbekämpfung außerordentlich
wichtig. Es gibt immer noch keine zentrale Datei zur Terrorismusbekämpfung,
in der sowohl die Polizeien als auch die Dienste ihre Erkenntnisse einstellen
können bzw müssen; dies wird begründet mit dem sog. Trennungsgebot
von Diensten und Polizeien. Das Argument überzeugt aber nicht,
denn es geht nicht um die Übertragung von Befugnissen auf die Dienste,
sondern nur um den Austausch von Informationen. Wenn die Polizei wüsste,
was sie alles weiß, wäre Deutschland sicherer. Eine zentrale
Bundespolizei neben BKA, BGS und ZKA würde meiner Überzeugung
nach aber nicht zu mehr Sicherheit führen. Möglich wäre
jedoch die ermittelnden Einheiten der Bundespolizeien zusammen zu fassen.

grinx03: Brauchen wir den großen Lauschangriff
und Vorratsdatenspeicherung?

Wolfgang Bosbach: Die akkustische Wohnraumüberwachung
ist zwar ein nur sehr selten angewandtes aber unverzichtbares Mittel
zur Verbrechensbekämpfung, das sich in den letzten Jahren insbesondere
bei der Aufklärung von Kapitalverbrechen bewährt hat. Bei
der Vorratsdatenspeicherung kann ich im Moment nicht erkennen, auf welchen
Sachverhalt sich die Frage bezieht.

gaby: Hat die Union Pläne, wie man Terrorbekämpfung
in Europa besser koordinieren könnte?

Wolfgang Bosbach: Es ist richtig, dass wir den internationalen
Terrorismus mit nationalen Mitteln alleine nicht werden bekämpfen
können. Notwendig sind eine funktionierende grenzüberschreitende
Zusammenarbeit: Der Austausch von Verbindungsbeamten, aber auch Ermittlungserkenntnissen
und die Stärkung von Europol.

Moderator: Wir springen kurz zurück:

bluemoon: Eine neue Bundespolizei sicherlich nicht,
aber eine, die die Aufgaben der einzelnen Behörden, es gibt ja
auch noch die ganzen Landesbehörden, bündelt! Ist es da nicht
logische Konsequenz, dass etwas schief gehen muss. Warum wird hier die
föderale Organisation so "hoch" gehalten?

Wolfgang Bosbach: Ich will das nicht mit dem formalen
Argument begründen, dass es zunächst die Länder gab und
dann erst den Bund, und dass das Grundgesetz von einer grundsätzlichen
Verwaltungshoheit der Länder ausgeht, sondern von zwei anderen
Überlegungen: Zum Einen garantieren dezentrale Strukturen einen
viel unmittelbareren Überblick über Gefährdungslagen
bei der inneren Sicherheit (die Länderpolizeien sind am Geschehe
"näher" dran) und große Behörden und Organisationsstrukturen
bedeuten oft nicht mehr Effektivität, sondern mehr Bürokratie.
Bei gemischten Zuständigkeiten von Bund und Ländern besteht
zu dem die Gefahr, dass entweder zwei Behörden am gleichen Sachverhalt
arbeiten oder dass ein Sachverhalt überhaupt nicht bearbeitet wird,
weil jeder glaubt, die Zuständigkeit läge beim anderen.

Moderator: Noch eine weitere Facette des Themas: Die
Union fordert den Einsatz der Bundeswehr im Inneren, Blödsinn sagen
andere. Deshalb,…

marcy: Ist die Bundeswehr dem Terrorismus gewachsen?

Wolfgang Bosbach: Wir wollen nicht die Gewährleistung
der inneren Sicherheit von der Polizei auf die Bundeswehr übertragen,
sondern nur die Rechtsgrundlagen dafür schaffen, dass die Bundeswehr
zukünftig zur Abwehr terroristischer Gefahren im Inland eingesetzt
werden darf, wenn nur sie die Fähigkeiten hat, einen Angriff abzuwehren.
Bei Angriffen aus der Luft ist es ja evident, dass nur die Luftwaffe
der Bundeswehr, nicht aber die Polizei, die Gefahr bannen kann. Wir
haben weltweit die besten ABC-Abwehrkräfte, die wir nach unsere
Verfassung in jedem Land der Erde einsetzen dürfen, nur nicht in
Deutschland zur Abwehr eines terroristischen Anschlags. Das wollen wir
ändern.

Moderator: Stichwort: Mzoudi-Freispruch:

wischi: Untergräbt die Justiz die Polizeiarbeit,
siehe Prozess in Hamburg, indem sie Terroristen wieder auf freien Fuß
setzt?

Wolfgang Bosbach: Das Urteil habe ich mit zwiespältigen
Gefühlen zur Kenntnis genommen. Auf der einen Seite ist es in der
Tat mehr als nur unbefriedigend, wenn ein zweifelsfrei brandgefährlicher
Angeklagter den Gerichtssaal als freier Mann verlassen kann., aber den
Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" können
und dürfen wir aus rechtsstaatlichen Überlegungen nicht aufgeben.
Wenn ein Gericht Zweifel an der Schuld eines Angeklagten hat, kann keine
Verurteilung erfolgen. Aber das heißt nicht, dass Her Mzoudi wegen
seiner Gefährlichkeit nicht ausgewiesen werden sollte.

Moderator: Hier wollen wir zu einem anderen Thema
überleiten:
Humanitäre Organisationen haben sich besorgt darüber gezeigt,
dass die wichtige und überfällige Entscheidung beim Zuwanderungsgesetz
zunehmend von Fragen der Terrorbekämpfung dominiert wird. Gibt
es da eine unheilvolle Verquickung?

Moderator: Und noch mal zur internationalen Strafbarkeit:

Wolfgang Bosbach: Nein. Das Ausländerrecht hat
stets auch Vorschriften zum Zwecke der Gefahrenabwehr enthalten, die
unserer Überzeugung nach den neuen Gefährdungslage angepasst
werden müssen. Anfang des Jahres hat Rot-Grün gefordert, das
Kapitel Sicherheit aus den Verhandlungen auszuklammern: das konnten
wir nicht akzeptieren. Nach dem 11. März war Rot-Grün nun
doch bereit, auch über dieses Thema zu sprechen. Die Verhandlungen
werden am kommenden Wochenende fortgesetzt.

Walt: Wie wird sich die Union im Zuwanderungsstreit
verhalten? Prognosen besagen, dass Deutschland eine jährliche Zuwanderung
von ca. 250.000 Menschen benötigt, um die negativen wirtschaftlichen
Effekte des Bevölkerungssrückganges halbwegs zu kompensieren.
Ist es da nicht reichlich kontraproduktiv, die Zuwanderung zu begrenzen?

Wolfgang Bosbach: Wir haben jedes Jahr eine Bruttozuwanderung
zwischen 750.000 und 800.000 und eine Nettozuwanderung von ca. 200.000.
Wenn wir uns darum bemühen würden, das Geburtendefizit durch
mehr Zuwanderung zu kompensieren, müssten wir die Nettozuwanderung
vervierfachen, was die Integrationskraft unseres Landes weit überfordern
würde. Die demographische Entwicklung in Deutschland ist allerdings
in der Tat besorgniserregend, dies ist aber in erster Linie eine Herausforderung
für die Familienpolitik, nicht für das Ausländerrecht.

regina: Was ist Brutto, was ist Netto?

Wolfgang Bosbach: Nettozuwanderung ergibt sich aus
dem Zuzug aller Deutschen und Ausländer nach Deutschland (Bruttozuwanderung)
minus dem Fortzug von Deutschen und Ausländern.

Moderator: UN-Flüchtlingskommissar Ruud Lubbers
hat an den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat appelliert,
nicht den Schutz von Opfern nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer
Verfolgung im geplanten Zuwanderungsgesetz zu streichen. Im europäischen
Vergleich habe Deutschland in diesen Fragen noch Nachholbedarf, so Lubbers.
Ist die Union dort uneinsichtig?

Wolfgang Bosbach: Die Bundesregierung hat vor wenigen
Wochen der betreffenden EU-Richtlinie zugestimmt, so dass sie nun für
Deutschland geltendes Recht wird. Dem Text dieser Richtlinie könnten
wir ins deutsche Ausländerrecht übernehmen. Wir sollten aber
nicht über diese Richtlinie hinaus gehen.

Steuerzahler: Sattelt man da das Pferd nicht von der
falschen Seite? Sollte man nicht eher die Familie so stärken, dass
eine Frau mit Kind erwerbstätig bleiben kann, anstatt die Zuwanderung
allein zu regeln?

Wolfgang Bosbach: Richtig ist, dass wir die gesellschaftlichen
Rahmenbedingung so ändern sollten, dass insbesondere junge Familien
bzw. erwerbstätige Mütter nicht vor die Alternative gestellt
werden, Erziehung oder Erwerbstätigkeit, sondern dass sie beides
– wenn sie es gerne möchten – miteinander vereinbaren können.
Dazu gehören die Stichworte "ausreichende Kindertagesstätten,
Ganztagsschule, Randstunden – Über-Mittags-Betreuung".

Moderator: Zu der vorletzten Antwort: Sie stimmen
also zu, den Schutz von Opfern nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer
Verfolgung nicht zu streichen?

Wolfgang Bosbach: Wir haben stets gesagt, dass wir
den Anwendungsbereich der Genfer-Flüchtlingskonvention strikt beachten,
aber auch nicht ausdehnen wollen. Schon nach geltender Rechtslage können
auch Opfer von nichtstaatlicher Verfolgung innerstaatlichen Schutz in
Anspruch nehmen, aber nicht bei jeder Form nichtstaatlicher Verfolgung,
z.B. dann wenn sich marodierende Banden bekämpfen.

kummer: Tja, nur mit dem Aufruf zum Kinderkriegen
wird man das nicht hinbekommen. Vielleicht ein bisschen familienfreundlicher
agieren? Die Merzsche Steuerpolitik ist ja da nicht gerade besonders
weit – am Ende tut`s den Besserverdienern wieder gut.

Wolfgang Bosbach: Der bloße Aufruf alleine wird
sicherlich die Zahl der in Deutschland geborenen Kinder nicht sprunghaft
ansteigen lassen, aber eine konsequente kinderfreundliche Politik wohl.
Das Merzsche Steuerkonzept ist ausgesprochen familienfreundlich, denn
jeder soll einen Freibetrag in Höhe von 8.000 Euro pro Person erhalten
plus Arbeitnehmerpauschalbetrag – wäre bei einer vierköpfigen
Familie ein Betrag von 33.000 Euro komplett steuerfrei, so dass insbesondere
viele Familien mit Kindern überhaupt keine Einkommessteuer mehr
bezahlen müssten.

Moderator: Um den Deckel bei der Zuwanderung zuzumachen:
Am Freitag tagt mal wieder die Arbeitsgruppe Zuwanderung des Vermittlungsausschusses
von Bundestag und Bundesrat. Wird es zum Durchbruch kommen?

Wolfgang Bosbach: Ich würde mich ja schon freuen,
wenn es wenigstens einen substantiellen Fortschritt geben würde.
Dies setzt allerdings voraus, dass wir von Seiten der Koalition beim
Bereich Sicherheit nicht nur vage Ankündigungen, sondern konkrete
Texte vorgelegt bekommen, über die man dann verhandeln kann. Auch
wenn wir am Wochenende nicht zu einem Abschluss kommen sollten, werden
wir am Samstag doch sicherlich, eher als heute beurteilen können,
ob es am Ende zu einer Einigung kommen wird oder nicht.

Moderator: Nächstes Thema: Wegen des tödlichen
Anschlags auf einen deutschen Konvoi im Irak sollen GSG-9-Beamte zum
Schutz der Botschaft in Bagdad nun doch mit dem. Wegen des tödlichen
Anschlags auf einen deutschen Konvoi im Irak sollen GSG-9-Beamte zum
Schutz der Botschaft in Bagdad nun doch mit dem verlegt werden. Heute
hat der Innenausschuss darüber getagt, was ist dabei herausgekommen.

Wolfgang Bosbach: Ich habe leider persönlich
an den Beratungen nicht teilnehmen können. Nach den uns bisher
erteilten Informationen können wir jedoch nach wie vor nicht nachvollziehen,
warum es nicht möglich gewesen sein soll, neben dem Geschäftsträger
auch die GSG-9-Beamten auf dem sichereren Luftweg nach Bagdad zu transportieren.

Moderator: Es gibt den Vorwurf, die Bundesregierung
sei zu stolz gewesen, die Amerikaner um Transportmöglichkeiten
zu bitten. Was sagen Sie dazu?

Wolfgang Bosbach: Ich halte es für nicht ausgeschlossen,
dass dieser Vorwurf zutreffend ist. Sollte er sich als wahr herausstellen,
wäre eine derartige Haltung unbegreiflich und unverantwortlich,
denn bei der besonderen Gefahrenlage im Irak muss der Schutz von Menschenleben
immer mehr Gewicht haben als jede politische Erwägung.

calamity: Glauben Sie, nachdem zwei GSG9 Beamte entführt
wurden, dass wir uns überhaupt am wirtschaftlichen Aufbau im Irak
beteiligen sollten, wäre dies nicht zu gefährlich?

Wolfgang Bosbach: Ein Irak, das eine stabile demokratische
Ordnung hat, die Menschenrechte wahrt und von dem keine Gefahr mehr
ausgeht, liegt auch in unserem Interesse. Daher sollten auch wir uns
an humanitären Hilfeleistungen für den Irak angemessen beteiligen.
Es geht dabei nicht in erster Linie um die Beseitigung von Kriegsschäden,
sondern um den Wiederaufbau eines Landes, das unter einer jahrzehntelangen
Diktatur gelitten hat. Richtig ist, dass bei dem Einsatz von Personal
auf deren Sicherheit besonderer wert gelegt werden muss.

sommerwind Sie verteidigen Köhlers Kritik an
den USA. Fallen sie damit Merkel in den Rücken oder loten sie einen
Kurswechsel aus?

Wolfgang Bosbach: Horst Köhler hat gestern vor
der Unionsfraktion in der Bundesversammlung gesagt, dass sowohl die
USA als auch die Europäer Fehler gemacht hätten. Wer will
das bestreiten? Er hat aber auch gesagt, dass die USA "ein Hort
der Freiheit" seien und dass unser Platz an ihrer Seite sein müsste.
Dies ist kein Widerspruch zu den Positionen im Irak-Konflikt und ich
sehe auch keinen Grund, warum Angela Merkel ihre bisherigen Aussagen
in diesem Punkt korrigieren sollte.

politicalforce: Zur K-Frage: Jeder der beiden bedeutendsten
Politiker, Stoiber wie auch Merkel, würden beim nächsten Mal
den Wechsel schaffen. Nur die Frage, ob die Partei- und Fraktionschefin
sich mit dem Verweis Stoiber hat seine Chance schon bewiesen, vielleicht
auch auf sein Alter, 2006 durchsetzt?

Wolfgang Bosbach: Über ihren Optimismus freue
ich mich, allerdings schlage ich vor, dass wir nicht zu früh jubeln,
sondern alle Kraft darauf konzentrieren, dass aus den guten Umfrageergebnissen
ein ebenso gutes Wahlergebnis wird. Die berühmte K-Frage sollten
wir erst dann entscheiden, wenn sie entschieden werden muss, was nach
Lage der Dinge erst 2006 der Fall sein wird.

ju_stadtlohn: Herr Köhler spricht doch nicht
ex cathedra, das ist doch eine Meinung unter vielen. Warum wird er dennoch
zurück gepfiffen?

Wolfgang Bosbach: Niemand pfeift Herrn Köhler
zurück und für mich ist es geradezu erfreulich und erfrischend,
wie offen Herr Köhler das sagt, was er denkt. Auch für ihn
gilt das Recht auf freie Meinungsäußerung und davon sollte
er auch weiterhin Gebrauch machen.

icke03: Hätte Merkel überhaupt noch eine
Chance auf eine Kanzlerkandidatur, würde wider Erwarten Gesine
Schwan zur Bundespräsidentin gewählt werden?

Wolfgang Bosbach: Ja. Deutschland hat in den vergangenen
Jahrzehnten zwei Männer in den Ämtern des Bundeskanzlers und
Bundespräsidenten völlig problemlos verkraftet. Warum sollte
das bei zwei Frauen anders sein?

Mark25: Das ist doch nur Geplänkel – es weiß
doch jeder, dass, wenn Angela Merkel zur Wahl antreten würde, die
derzeitige Regierung weitere 4 Jahre regieren würde.

Wolfgang Bosbach: Ich glaube, dass wir mit einer Kanzlerkandidatin
Angela Merkel gute Wahlchancen hätten, denn sie hat sich in allen
bisherigen Ämtern hervorragend bewährt und genießt nicht
nur in der Union hohes Ansehen. Ich bitte aber auch um Verständnis
dafür, dass ich mich an K-Spekulationen nicht weiter beteiligen
möchte, denn die Union würde einen kapitalen Fehler machen,
wenn wir uns jetzt mehr mit Personal- als mit Sachfragen beschäftigen
würden.

Moderator: Dazu passt:

Mark25: Das heißt man wählt nicht mehr,
weil man von Konzepten der jeweiligen Partei überzeugt ist, sondern
nur um die "Anderen" abzuwählen….?

Wolfgang Bosbach: Sicherlich spielt bei vielen Wahlentscheidungen
nicht nur die Begeisterung über die Politik der gewählten
Partei, sondern auch die Enttäuschung über die Fehlleistungen
der politischen Konkurrenz eine Rolle. Meistens haben die Wählerinnen
und Wähler ein ganzes Bündel von Wahlmotiven, aber den Wahlzetteln
kann man es nicht ansehen, warum die Wähler die eine oder die andere
Partei gewählt haben.

Moderator: Unsere Zeit ist bereits um. Vielen Dank
an alle User für das große Interesse. Etliche Fragen sind
leider unbeantwortet geblieben. Vielen Dank, Herr Bosbach, dass Sie
sich Zeit für den Chat genommen haben. Das Transkript dieses Chats
finden Sie auf den Seiten der Veranstalter. Den nächsten Chat gibt
es am nächsten Montag, dem 3. Mai, ab 3.00 Uhr mit dem Chef der
Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Ludwig Georg Braun. Das
tacheles.02-Team wünscht allen noch einen angenehmen Tag!

Wolfgang Bosbach: Ich bedanke mich für das lebhafte
Interesse und hoffe, dass niemand enttäuscht ist, dass ich seine
Frage nicht beantwortet habe.