Am
Mittwoch, 6. September, war Dieter Wiefelspütz,
innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, zu Gast im
tagesschau-Chat in Kooperation mit politik-digital.de. Er diskutierte
mit den Nutzern über die neue Anti-Terror-Datei, Videoüberwachung
und die Einschränkungen der Freiheit.

Moderator: Herzlich willkommen
zu 60 Minuten tagesschau-chat. Zu Gast im ARD-Hauptstadtstudio ist
heute der SPD-Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz. Er
ist innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Mit Fragen zur frisch
beschlossenen Anti-Terror-Datei und generell zur inneren Sicherheit
sind Sie bei ihm also an der richtigen Adresse. Herr Wiefelspütz,
können wir beginnen?

pedeto: Waren die versuchten Anschläge der
so genannten Kofferbomber eine willkommene Gelegenheit für
die Regierung, schärfere Maßnahmen der Überwachung
durchzusetzen?

Dieter Wiefelspütz: Die Frage enthält eine ziemlich bösartige
Unterstellung. Mich hat dieses, nur durch einen Glücksumstand
missglückte Attentat sehr betroffen gemacht. Junge Leute werden
nach Deutschland eingeladen, um hier ausgebildet zu werden, werden
hier herzlich empfangen und kriegen es in den Kopf, völlig
unschuldige Menschen in Zügen – auch sie oder ich hätten
es sein können – umzubringen. Dieser Umstand besorgt mich sehr.
Selbstverständlich wird es keinen Missbrauch dieses Vorfalls
geben. Wer sollte denn so verrückt sein?

Moderator: Eine Folge dieser Attentatsversuche ist die nun beschlossene
Anti-Terror-Datei (ATD). Eine Frage dazu:

MrPink: Glauben Sie, dass sich durch die Anti-Terror-Datei
tatsächlich die Sicherheit erhöht?

Dieter Wiefelspütz: Es gibt keine Patentrezepte gegen Terrorismus,
auch niemals völlige Sicherheit. Das Menschenmögliche
muss getan werden. Die ATD, die wir gerade beraten, wird kein Wundermittel
sein, aber ein weiterer Baustein, um uns im Kampf gegen Terrorismus
besser aufzustellen. Nicht mehr, nicht weniger.

MrPink: Welche Daten werden denn jetzt alle in
der Anti-Terror-Datei gespeichert?

Dieter Wiefelspütz: Es wird zunächst Grunddaten geben
zur Identifizierung einer Person. Die sind für die abrufende
Stelle sichtbar. Und es gibt nicht sichtbare Daten, die die Person
weiter beschreiben. Diese unsichtbaren Daten werden nur als Treffer
gemeldet, um dann anzufragen, ob man an die Daten herankommen darf.
Der Personenkreis, der in diese ATD hineinkommen soll, wird sehr
begrenzt sein. Und das ist in Deutschland zum Glück eine sehr
überschaubare Zahl.

typerwriter: Wie lange werden die Daten in der
Anti-Terror-Datei gespeichert?

Dieter Wiefelspütz: Solange die Gefahr besteht.

odysseus: Was rechtfertigt diese Datei? Es werden
eine Unmenge an Daten gesammelt und die eigentlichen Terroristen
werden sich durch geeignete Maßnahmen doch nur der "Überwachung
entziehen" und weiter in den Untergrund gedrängt? Braucht
ein Selbstmordattentäter eine Krankenkasse, ein reguläres
Bankkonto? Muss er mit Kreditkarte bezahlen und kann er nicht z.B.
auch über wechselnde Internetcafes Kontakt halten?

Dieter Wiefelspütz: Es ist sicherlich gelegentlich ein Wettlauf.
Die Kofferbombenattentäter hatten wir nicht auf dem Schirm.
Das ist etwas, was mich umtreibt. Wir sammeln nicht wahllos Daten.
Die Arbeit ist aber auch nicht ohne Erfolg. Wir haben in Deutschland
mehrere Attentate verhindert. Das interessiert die Öffentlichkeit
weniger. Sicherheitsarbeit im Kampf gegen Terrorismus ist nicht
perfekt, wir sind aber auch nicht hilf- und auch nicht machtlos.
Richtig bleibt aber: Den Kofferbombenanschlag haben wir nicht verhindern
können.

Bobbel: Glauben Sie, dass es viele Verfassungsbeschwerden
geben wird?

Dieter Wiefelspütz: Das kann ich nicht ausschließen,
dass der eine oder andere zum Verfassungsgericht geht. Warum denn
auch nicht? Wir leben in einem Rechtsstaat.

Lennart: Können Sie die Bedenken der Datenschützer
verstehen? Nicht nur in Bezug auf die Anti-Terror-Datei, sondern
auch in Bezug auf die Videoüberwachung?

Dieter Wiefelspütz: Wir reden regelmäßig mit dem
Datenschutzbeauftragten Herrn Schaar, den ich sehr schätze,
obwohl er von den Grünen ist. Wir machen Sicherheitsarbeit
in den Grenzen des Rechtsstaates und nicht außerhalb der Grenzen.
Ich bin für einen klugen Einsatz auch von Videotechnik, aber
gegen eine flächendeckende Videoüberwachung. Diese Auffassung
hat übrigens auch heute morgen Frau Merkel in der Haushaltsdebatte
vertreten. Sicherheitsarbeit muss man mit klarem Verstand und mit
Augenmaß im Rahmen des Rechtsstaates machen. Die Herausforderungen
neuartiger Bedrohungen annehmen, sie aber nicht mit Hektik und Panikmache
beantworten.

Moderator: Stichwort Videoüberwachung: Ihre Ausweitung ist
noch nicht beschlossen. Wie sähe diese im Idealfall konkret
aus?

Dieter Wiefelspütz: Die Technik der Videoüberwachung
darf nicht überschätzt werden, wenngleich sie ihren Stellenwert
hat. Sie hat gerade bei der Aufklärung der Kofferbombenattentate
sehr geholfen. Wir wollen aber die Videotechnik weiterentwickeln.
Das muss ein intelligentes System werden und nicht so ein stumpfes,
wie es jetzt noch ist. Sie glauben gar nicht, wie viele Stunden
Durchsicht von Videobändern nötig waren, um die Attentäter
zu identifizieren. Das müssen wir durch technische Weiterentwicklung
erleichtern.

Klaus Trophobie: Wie viele Bürgerechte (Datenschutz,
Privatsphäre u.s.w.) würden sie denn opfern wollen für
ein Gefühl der Sicherheit (mehr kann es ja nie sein)? Wenn
man nach Amerika guckt, ist da ja von der Freiheit, die man verteidigen
will, meiner Meinung nach, ja schon nicht mehr viel über.

Dieter Wiefelspütz: Wir leben in Deutschland zum Glück
in einem Staat mit einem außerordentlich hohen Niveau an Freiheit
und Sicherheit. Wenn es darum geht, möchte ich nicht tauschen
mit Frankreich, England, Italien und schon gar nicht mit den USA.
Wir leben hier freier und sicherer als in diesen Ländern. Es
gibt im Rechtsstaat allerdings eine rote Linie, die wir niemals
überschreiten dürfen, da wir uns sonst gemein machen würden
mit den Verbrechern. Strikt verboten sind Angriffskrieg, Folter,
Einsperren ohne Gerichtsverfahren, strikt verboten ist in Deutschland
auch Guantanamo. Wir bekämpfen Terrorismus innerhalb des Rechtsstaates
und nicht gegen den Rechtsstaat.

Lennart: Es gibt eine einen schönen Aufsatz
eines amerikanischen Soziologen. Der fragt: Wer überwacht die
Überwacher? Wie wird also die Kontrolle überwacht und
wer soll das ausführen? Ist der Datenschutz nicht schon zu
schwach in Deutschland?

Dieter Wiefelspütz: Ich will ganz deutlich sagen, dass für
mich Freiheit als Wert noch ein wenig wichtiger ist als Sicherheit.
Es kann aber durchaus sein, dass viele Menschen im Lande das anders
sehen. Die BRD ist kein zentralistischer Machtstaat. Bei uns gibt
es viele Menschen, die jeweils ein Stück Verantwortung haben,
wir haben sehr viele Kontrollmechanismen, wir haben Gerichte, aber
es wird im Einzelfall immer wieder möglich sein, dass auch
Fehler begangen werden oder auch Skandale möglich sind. Wir
leben nicht einmal ansatzweise in einem Polizei- oder Überwachungsstaat.

Moderator: Noch einmal zurück zur Anti-Terror-Datei:

alice33: Muss man insbesondere ausländische
Studenten stärker überwachen?

Dieter Wiefelspütz: Es beschäftigt mich sehr, dass Terroristen
in der aktuellen Situation durchweg junge Männer sind zwischen
20 und 40, aus dem Nahen Osten stammen und häufig Studenten
sind. Das beschäftigt uns sehr, dass aus diesem Kreis immer
wieder im Einzelfall gefährliche Verbrecher auffällig
werden. Wir wollen uns allerdings nicht abschotten von der Welt.
Ich finde es prinzipiell großartig, dass ein Teil der Jugend
der Welt in Deutschland studiert. So wie auch viele junge Deutsche
im Ausland arbeiten, zur Schule gehen oder studieren.

typerwriter: Wie sieht es in anderen Ländern
aus – Gibt es dort schon solche Dateien? Wenn ja, gibt es Erfolge
damit zu verbuchen?

Dieter Wiefelspütz: Jedes Land hat seine eigene Sicherheitskultur.
Wir schauen sicherlich auch über den Tellerrand, aber ich bin
ganz froh, dass wir hier unseren eigenen Stil entwickelt haben.
Wir haben eine ausgesprochen demokratische und zivile Polizei. Es
gibt aber auch in anderen Ländern Dateien.

Golem: Wie steht es um Bemühungen eine europäische
Anti-Terror-Einheit aufzubauen? Ein einheitliches Vorgehen dürfte
doch viel größeres Gewicht haben.

Dieter Wiefelspütz: Ich stimme ihnen ausdrücklich zu.
Aber Europa ist eine Schnecke. Immerhin: Etwas Bewegung ist da.
Eine europäische Polizei gibt es freilich noch nicht, aber
Datenaustausch.

Moderator: Nach den missglückten Kofferbomben-Anschlägen
kam es plötzlich sehr schnell zu einer Einigung auf die zuvor
jahrelang umstrittene Anti-Terror-Datei. Welche Bedenken hat der
missglückte Anschlag ausgeräumt?

Dieter Wiefelspütz: Ich bin dezidierter Auffassung, dass es
keinen Zusammenhang gibt zwischen den zwei Themen. Wir hätten
in dieser Woche in derselben Weise über die ATD beraten, auch
ohne die Attentate. Dieses Thema ist seit einigen Wochen eingespeist
und wird sicherlich unter einer größeren Anteilnahme
der Öffentlichkeit wegen der gescheiterten Attentate in Berlin
durchberaten.

leiprecht: Ist es angesichts der wachsenden Terrorgefahr
in Deutschland nicht an der Zeit, unsere Kultur klar zu definieren
und jeden Migranten darauf einen Eid abgeben zu lassen?

Dieter Wiefelspütz: Glauben sie, dass man durch einen Eid
sicher ist vor Fehlentwicklungen eines Menschen? Allerdings: Ein
Mensch, der sich wirklich zu hause fühlt in Deutschland wird
niemals auf die Idee kommen, seine Heimat in die Luft zu sprengen.

Nutzer: Setzt die Überwachung mittels einer
ATD nicht am falschen Ende an? Müssten nicht vielmehr die Wurzeln
der Terrorismus bekämpft werden?

Dieter Wiefelspütz: Ich sehe hier kein „Entweder, oder“,
sondern ein „sowohl, als auch“, Wenn Verbrecher unterwegs
sind, muss ich sie stoppen, wenn ich eine Chance dazu habe. Gleichzeitig
muss ich mir die Frage stellen: Was bringt Menschen dazu, Unschuldige
in die Luft zu sprengen? Was kann ich dazu tun, diesen Sumpf, in
dem das entsteht, trocken zu legen?

Horn: Was wird ein Eintrag in der Datei konkret
bewirken? Mit welchen Konsequenzen kann der Betroffene rechnen?

Dieter Wiefelspütz: Das kommt im Einzelfall darauf an. Jedenfalls
wird die Sicherheitsbehörde wissen, dass sie einen gefährlichen
Menschen vor sich hat.

daniela_schmidt: Arbeitet die Bundesregierung
zu wenig mit Muslimverbänden bzw. engagiert sie zu wenige Kulturexperten
der arabischen/türkischen Kultur in Gremien und bei Entscheidungsprozessen?

Dieter Wiefelspütz: Wir organisieren jetzt die Islamkonferenz,
die hoffentlich dazu beitragen wird, Defizite in diesem Bereich
abzubauen. Muslime in Deutschland müssen ernster genommen werden.

Iezzi_Toronto: Wie glauben Sie, wird das Ausland
auf die momentane Entwicklung in Deutschland reagieren? Wie wird
man die aktuellen Diskussionen in den Nachbarländern auffassen?
Wohlwollend, da es um mehr Sicherheit geht, oder ablehnend, da es
zu verschärften Kontrollen kommen wird?

Dieter Wiefelspütz: Unsere Nachbarländer haben mit exakt
denselben Problemen zu tun wie wir auch. Ich gehe davon aus, dass
man wechselseitig großes Verständnis füreinander
hat. Ich glaube, dass wir allen Grund haben, in Europa was Sicherheitsfragen
angeht, enger zusammen zu rücken, weil wir alle im Wesentlichen
die gleichen Probleme haben.

QuellQPur: Wird es allgemein Informationen über
diese Datei geben, also z.B. einen regelmäßigen Bericht
über die Anzahl der Personen, welche dort erfasst sind?

Dieter Wiefelspütz: Jeder Zugriff auf die Datei wird automatisch
dokumentiert und archiviert. Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat
Kontrollmöglichkeiten. Wir werden nach wenigen Jahren die Datei
evaluieren und prüfen, was sie gebracht hat.

daniela_schmidt: Womit "qualifiziert "
man sich denn dafür, in die Datei aufgenommen zu werden? Was
wird kontrolliert und welches Verhalten wird als gefährlich
eingestuft, sodass die Person in die Datei aufgenommen wird?

Dieter Wiefelspütz: Das Entscheidende ist der Gewaltbezug.
Wenn Wiefelspütz mit Gewalt seine Ziele in diesem Land durchsetzen
will, kommt er in diese Datei.

Valentin: Ich glaube, dass die Terrorgefahr gar
nicht so groß ist. Ist es nicht eher so wie es in den USA
war, dass die Angst vor dem Terror von den Politikern nur ausgenützt
wird, die Privatsphäre der Menschen noch mehr einzuschränken?

Dieter Wiefelspütz: Ich kann mit dem Begriff "die Politiker"
überhaupt nichts anfangen. Ich bin seit 59 Jahren ein sehr
freier Bürger dieses Landes und ich glaube es gibt weitere
82 Millionen Bürger, die ähnlich frei sind wie ich. Was
sagen sie denn den Angehörigen der Terroropfer von Madrid oder
London über die angeblich nicht vorhandene Gefahr? Hat es in
New York 3000 Ermordete gegeben oder was war das dort? In welcher
Welt leben sie? Ich muss mich mit Wirklichkeit auseinandersetzen,
das ist die erste Pflicht eines verantwortlichen Politikers.

emjay: Der Große Lauschangriff hat gezeigt,
dass Abhörmaßnahmen massiv und unverhältnismäßig
missbraucht werden, das hat sogar das Bundesverfassungsgericht festgestellt.
Wie können sie angesichts dessen glauben,, dass es mit der
Anti-Terror-Datei anders läuft?

Dieter Wiefelspütz: Ich kenne keinen einzigen Fall, wo der
große Lauschangriff missbraucht worden wäre, ihre Behauptung
trifft nicht zu. Das Bundesverfassungsgericht hat eine gesetzliche
Regelung aufgehoben, aber nicht Missbrauch festgestellt. Selbstverständlich
halten sich die Behörden an das Urteil. Wir sind doch nicht
umzingelt von Missbrauch treibenden Staatsbediensteten. Wo haben
sie ihre Vorurteile her?

pebcak: Was meinen sie zum Recht auf informationelle
Selbstbestimmung? Wie bekommt man Einsicht, welche Daten welche
Behörden gesammelt haben? Und an wen sie weitergegeben wurden?

Dieter Wiefelspütz: Wir haben nicht nur das Grundrecht auf
informationelle Selbstbestimmung, wir haben inzwischen sogar ein
Informationsfreiheitsgesetz. Ich bin für eine starke Stellung
des Bürgers im Hinblick auf Auskunftsrechte. Wir werden aber
nicht jedem Terrorismusverdächtigen darüber informieren
können, wie wir uns gegen ihn zur Wehr setzen. Es geht im Übrigen
um eine sehr kleine Zahl von sehr gefährlichen Menschen, aber
auch deren Grundrechte sind zu beachten.

DDW: Wird nicht die Wahrnehmungsschwelle der Behörden
durch die Anti-Terror-Datei enorm sinken? Wird nicht dadurch jeder
junge Mensch aus Nahost permanent verdächtigt?

Dieter Wiefelspütz: Wir müssen uns auf diejenigen konzentrieren,
die wirklich gefährlich sind. Menschen unter Generalverdacht
zu stellen, ist kompletter Blödsinn, hilft uns aber auch überhaupt
nicht bei der Sicherheitsarbeit.

OOo42: Wird die Antiterror-Datei mit ausländischen
Dateien abgeglichen?

Dieter Wiefelspütz: Nein, das ist nicht vorgesehen und auch
nicht zulässig. Wir haben aber natürlich Informationsaustausch
der Nachrichtendienste und Polizeien, so dass indirekt auch Informationen
einfließen können in unsere nationale Datei.

Moderator: Ein großes Thema bei unseren Usern ist die Rolle
der Muslime. Dazu eine Frage:

Said: Wie wollen Sie in der Regierung die gemäßigten
Muslime stärken?

Dieter Wiefelspütz: Ich bin der festen Überzeugung, dass
die übergroße Mehrheit der über drei Million Muslime
in Deutschland friedlich und gesetzestreu sind. Es gibt eine Reihe
von Möglichkeiten, die Muslime in Deutschland ernster zu nehmen.
Das ist vor allem auch Aufgabe von Integrationspolitik.

Iezzi_Toronto: Wie schätzen Sie die Auffassung
der Bundesbürger bezüglich mehr und schärferen Kontrollen
ein? Hier in Kanada ist es durchaus nicht ungewöhnlich, dass
man zum Beispiel bei der Aufnahme einer neuen verantwortungsvollen
Aufgabe gründlich durchleuchtet wird. Muss in Deutschland vielleicht
auch ein Umdenken erfolgen?

Dieter Wiefelspütz: In sicherheitsrelevanten Bereichen wird
auch in Deutschland sehr genau hingeschaut. Es kommt niemand mehr,
um eine Beispiel zu nennen, auf das Rollfeld eines Flughafens, ohne
eine gründliche Überprüfung seiner Zuverlässigkeit.

Dr.Ingolfsen: Sehr geehrter Herr Wiefelspütz,
sehen Sie die Sicherheitskräfte – BKA, BND und BfV – gut in
Deutschland aufgestellt, oder bedarf es möglicherweise an Nachbesserungen,
speziell auch in finanzieller Hinsicht?

Dieter Wiefelspütz: Wir haben erhebliches investiert im Bereich
unserer Sicherheitsbehörden. Ich bin schon beeindruck von der
Qualität unserer Mitarbeiter in diesen Bereichen, aber wir
sollten uns wechselseitig anspornen, noch besser zu werden. Insgesamt
haben wir bei unserer Polizei ein bemerkenswert hohes Niveau. Denken
sie bitte an die Art, wie sich die Polizei bei der WM präsentiert
hat.

Moderator: Direkte Anschlussfrage:

emjay: Ist nicht laut Verfassung eine strikte
Trennung von Polizei und Geheimdiensten geboten? Sie geben gerade
zu, dass sie es aufweichen wollen.

Dieter Wiefelspütz: Das Trennungsgebot gebietet, dass organisatorisch
Geheimdienste von der Polizei getrennt sind und das werden wir auch
aufrecht erhalten. Aber es gibt eine gesetzliche Grundlage für
Informationsaustausch. An diesen Grundlagen werden wir nichts ändern.
Deswegen passt die ATD in dieses System hinein, ohne es zu verändern.
Im Übrigen darf man das Trennungsgebot auch nicht überschätzen.
Andere Rechtsstaaten kennen ein solches Gebot nicht. Der Chef von
BKA und Bundesamt für Verfassungsschutz ist immer ein und derselbe
Bundesinnenminister. Ist ihnen das schon einmal aufgefallen?

brownie: Mal kurz weg von der ATD: Befürworten
Sie einen Einsatz der Bundeswehr im Inneren? Unter welchen Bedingungen?

Dieter Wiefelspütz: Die Bundeswehr ist nicht die Reservepolizei
des Landes. Wenn wir nicht genug Polizei haben, sollten wir mehr
einstellen. Die BW darf schon jetzt beim Katastrophenschutz helfen
(Elbehochwasser), sie darf bei der WM helfen, das ist alles kein
Problem. Aber sie darf eben nicht als Polizei missbraucht werden.
Daran werden wir festhalten.

cod: Ich komme aus Leipzig und angesichts unserer
stark frequentierten Bahnhofspromenaden eine Frage: Gibt es Überlegungen
der Gepäckkontrolle vor dem Betreten von (so großen)
Bahnhöfen?

Dieter Wiefelspütz: Das wird nicht leistbar sein. Die Bahn
transportiert pro Tag über vier Million Gäste, es gibt
über 5000 Bahnhöfe. Wenn wir die großen kontrollieren
würden, was passiert mit den kleinen? Hier wird deutlich, dass
uns auch Grenzen gesetzt sind. Wenn sie nur jeden Fluggast eine
Minute genau überprüfen würden, könnten wir
den Flugverkehr einstellen.

Moderator: In Leipzig sollen künftig Hartz-4-Empfänger
als Zugbegleiter eingesetzt werden, das Projekt wurde vergangene
Woche vorgestellt. Setzt sich Bundesminister Tiefensee doch noch
mit seinem Vorschlag durch, Hartz-4-Empfänger für die
innere Sicherheit einzuspannen?

Dieter Wiefelspütz: Ich habe kein Problem damit, wenn mehr
Sauberkeit organisiert wird auf Bahnhöfen, wenn gehbehinderten
Menschen geholfen wird, den Zug zu betreten oder zu verlassen. Harte
Sicherheitsarbeit kann aber nur von Profis geleistet werden.

Edda Peters: Sie haben in "Hart aber Fair
" vor weit über einem Jahr zugesagt, sich für eine
neue Diätenlösung und für Offenheit bei zusätzlichen
Engagements der MdBs einzusetzen. Mit welchem Ergebnis?

Dieter Wiefelspütz: Ich setze mich weiterhin dafür ein.
Das Thema ist leider vertagt worden. Darüber bin ich nicht
sehr glücklich. Ich füge allerdings hinzu, seit dem 1.1.2003
sind die Diäten nicht mehr angehoben worden.

Moderator: Und noch einmal zu den Bahnhöfen:

Hurtz: Ist es richtig, dass man auf deutschen
Bahnhöfen nun jederzeit damit rechnen muss, dass man mein Gepäck
durchsucht?

Dieter Wiefelspütz: Ich fahre selber sehr viel mit der Bahn.
Die einzige Veränderung, die ich festgestellt habe, ist der
Lautsprecherhinweis, auf herrenloses Gepäck zu achten. Etwas
anderes habe ich noch nicht gespürt. Da wird auch deutlich,
dass es im Alltag ganz schwer ist, etwas zu bewegen. Vielleicht
ist das aber auch gut so.

alice33: Wie werden die Sicherheitskontrollen
an Flughäfen zukünftig aussehen?

Dieter Wiefelspütz: Wir haben erhebliches investiert in Deutschland
um auf diesem Sektor besser zu werden. Es gibt auch technologische
Entwicklungen. Wir haben inzwischen einiges erreicht, werden aber
versuchen, weitere Lücken zu schließen. Ich kann nicht
ausschließen, dass wir über die Mitnahme von Handgepäck
an Board eines Flugzeuges neu nachdenken müssen. Die Sicherheitsdebatte
ist dort aber noch lange nicht abgeschlossen. Bei Kontrollen müssen
wir auch immer wieder auf die Würde der Menschen achten.

simpson: Welche Klauseln gibt es, um die Terrorgesetze
bzw. ihre Einschränkung der Bürgerrechte später wieder
zu beenden? Gibt es Fristen oder soll ein neuer Status Quo geschaffen
werden?

Dieter Wiefelspütz: Ich bin kurzsichtig, aber nicht blind.
Schon gar nicht folge ich blind irgendeiner Politik, sondern ich
habe einen eigenen Gestaltungswillen. Der Staat hat für die
Sicherheit seiner Bürger zu sorgen. Diese Sicherheitsarbeit
muss mit Augenmaß erfolgen, aber durchaus entschlossen. Ich
bitte sie herzlich, Mörder nicht zu verharmlosen.

dersprecher: Ist das grundlegende Problem nicht
etwa die unzureichende Integration der ausländischen Bevölkerung?
Wie kann es sein, dass Türken seit über 20 Jahren in Deutschland
leben und zum Teil noch kein Deutsch sprechen? Der Staat muss doch
eine solchen Parallelgesellschaft verhindern.

Dieter Wiefelspütz: Haben sie schon einmal nachgedacht über
die Gründe für die Parallelgesellschaft der Deutschen
auf Mallorca? Ich will aber hier auch gar nicht ausweichen. Wenn
Studenten kurzzeitig in Deutschland leben und hier sich terroristisch
entwickeln, hat das nicht unbedingt etwas mit Integration zu tun,
weil die auch gar nicht hier bleiben wollen. Ich betone aber ausdrücklich:
Integration ist das ganz große gesellschaftliche Thema der
Gegenwart und Zukunft! Wir müssen auf diesem Sektor deutlich
besser werden. Das gilt für alle.

Moderator: Das waren 60 Minuten tagesschau-Chat. Wir bedanken uns
bei allen, die mitgemacht haben. Unsere Bitte um Verständnis
an jene, die wir heute mit ihrer Frage nicht berücksichtigen
konnten. Unser besonderer Dank gilt Dieter Wiefelspütz, der
sich für uns Zeit genommen hat. Der nächste Chat findet
am übernächsten Donnerstag, den 21. September, statt.
Unser Gast ist dann ab 13 Uhr der CDU-Bundestagsabgeordnete Laurenz
Meyer. Das letzte Wort gehört Ihnen, Herr Wiefelspütz.
For more info please visit : http://www.howtopatentsomething.org

Dieter Wiefelspütz: Ich mach das unheimlich gerne,
mich mit ihnen auseinander zu setzen. Das wichtigste ist, dass wir
uns alle miteinander interessieren für Demokratie. Ich bedanke
mich bei jedem, der sich beteiligt hat. Eine wunderbare Stunde.