Ludwig Stiegler war am 01. Juni
2005 zu Gast im tacheles.02 Live-Chat von tagesschau.de und politik-digital.de.
Themen waren die Chancen der SPD im Bundestagswahlkampf und die
Zukunft des linken Flügels der SPD.

Moderator: Liebe Politik-Interessierte, willkommen
im tacheles.02-Chat. Die Chat-Reihe tacheles.02 ist ein Format von
tagesschau.de und politik-digital.de und wird unterstützt von
tagesspiegel.de. Zum Chat ist heute der SPD-Vize-Fraktionschef ins
ARD-Hauptstadtstudio gekommen. Herr Stiegler, können wir starten?

Ludwig Stiegler: Ich bin bereit.

Moderator: Wie kann die SPD bei ihrem derzeitigen
Umfragentief das Steuer noch herumreißen?

Ludwig Stiegler: In dem wir die Unterschiede zu
den Anderen aufzeigen. Wir erleben jetzt jeden Tag, dass die Union
ihre Maske abnimmt und ihre wahren Vorhaben outet. Wenn dann Klarheit
herrscht, wird der Appetit der Wähler auf Schwarz-Blau-Gelb
abnehmen.

ulrich meier: Sehen Sie eine Zukunft für
eine rot-grüne Koalitionsregierung?

Ludwig Stiegler: Ja, wir sind jetzt wie bei einem
Fußballspiel mit 2:0 im Rückstand, aber es sind noch
über 100 Tage Spielzeit. 2002 waren wir zur gleichen Zeit auch
unten in allen Umfragen. Eine Woche vor der Wahl hat sich die Kurve
wieder geschnitten. Die SPD und ihre Anhänger müssen deshalb
jetzt kämpfen wie Liverpool letzte Woche.

rakham der rothe: Herr Stiegler, wer kam den auf
die Idee mit den Neuwahlen?

Ludwig Stiegler: Ich gehe davon aus, dass Franz
Müntefering und Gerhard Schröder auf die Idee gekommen
sind, um zu verhindern, dass wir bei den Mehrheitsverhältnissen
im Vermittlungsausschuss im Laufe der nächsten 18 Monate durch
die Blockierer aus der Union quasi erdrosselt werden.

manne: Finden sie nicht, der Umgang mit dem Parlament
von Schröder zeugt von einem ziemlich kruden Politikverständnis?

Ludwig Stiegler: Warum eigentlich? Wir sind als
Parlamentarier mitten im politischen Prozess, jeder von uns weiß
um die Situation im Bundestag und im Bundesrat und niemand hat das
Recht auf eine 18-monatige Hängepartie.

Moderator: Will Schröder die Parteilinken
mit seinem Neuwahlplan abstrafen? Nach dem Motto: Bevor ihr mir
das Leben schwer macht, säg` ich euch ab?

Ludwig Stiegler: Das halte ich für eine Medienspekulation.
Ich habe aus meinen internen Besprechungen und aus den Gremienbera-tungen
keinen Anlass für diese Hypothese. Die Linke ist gerade in
den letzten Jahren über viele Schatten gesprungen, um angesichts
der Mehrheitsverhältnisse den gemeinsamen Erfolg nicht zu gefährden.
Und alle Vertreter der Linken, die im Vermittlungsaus-schuss das
Alltagsgeschäft mit der Blockademehrheit der Union durchlitten
haben, wissen, dass Schröder und Müntefering gute Gründe
hatten, jetzt Neuwahlen zu suchen.

Moderator: Möglich, dass die Linke jetzt
eine Belohnung für ihre lange Zurückhaltung wollte?

Ludwig Stiegler: Ich wüsste nicht, was sie
hätte wollen können. Das ganze geht auch nicht nach dem
Stil von Belohnungen. Es geht um politische Projekte und die Linke
hätte für die kommende Bundestagswahl sicher auch Forderungen
an das gemeinsame Wahlprogramm gestellt, wie sie jetzt an die gemeinsame
Wahlplattform gestellt werden. Es geht also nicht um Belohnungen
sondern um politische Konzepte.

Oli Täufer: Wie würden Sie Ihre Arbeitsatmosphäre
mit dem Bundeskanzler beschreiben?

Ludwig Stiegler: Freundlich, gut, manchmal heftig,
oft auch herzlich.

gargamel: Was genau hat sie dazu bewogen ins Münte-Lager
zu wechseln? Sie waren doch immer eng mit Lafontaine.

Ludwig Stiegler: Ich war immer ein bekennender
Lafontaineianer und würdige auch heute noch die Verdienste,
die Oskar Lafontaine um den Wahlsieg 1998 hat. Oskar Lafontaine
hat aber dann alle seine Freunde und Unterstützer enttäuscht
durch seine Egomanie und durch seine Unfähigkeit, zu kooperieren.
Er hat den SPD-Vorsitz und den Finanzminister weggeworfen wie einen
Putzlumpen statt für seine Überzeugungen zu kämpfen.
Er ist geflüchtet und Opfer seines Mangels an der Sekundärtugend
Demut geworden. Jetzt ist er wie ein gefallener Engel nur noch an
Zerstörung und Rache interessiert. Leider.

Moderator: Wäre eine Dreier-Koalition mit
den Grünen und der "Wahlalternative Arbeit und soziale
Gerechtigkeit" mit Lafontaine denkbar?

Ludwig Stiegler: Ach was. Das sind abwegige Vorstellungen.
Wir müssen dieses Land durch schwere Stürme in der Weltwirtschaft
und in der europäischen Wirtschaft steuern und da kann man
keine meuternden Altkapitäne und Leichtmatrosen gebrauchen.

visionist: Hat sich die SPD nicht viel zu sehr
von der eher neoliberalen Wirtschaftslehre vereinnahmen und damit
auch programmatische Kontinuität aufgegeben? Wird sie jetzt
dafür bestraft?

Ludwig Stiegler: Das sagen manche, die da von
der Lafontaine-Ecke kommen. Ein Grundproblem der SPD ist die oft
fehlende nüchterne Analyse der Wirtschaft in Deutschland und
in der Welt. Wer sich die letzten Jahre anschaut mit über 120.000
Konkursen nach der Börsenkrise, in deren Verlauf etwa 700 Milliarden
Euro vernichtet worden sind, der wird Wirtschaftspolitik nicht nach
Wunsch und Wolke wie in guten Zeiten machen können, sondern
akzeptieren müssen, dass insbesondere die kleinen und mittleren
Unternehmen in einer ganz schwierigen Situation stecken. Hinzu kommt
noch, dass in Wahrheit in kaum einer Periode der deutschen Nachkriegsgeschichte
so viel Deficit Spending gemacht worden ist, wie in den letzten
Jahren. Deshalb sind wir nicht neoliberal, sondern sozialdemokratisch.
Das einzige, das ich anders machen würde, im Vergleich zu den
letzten Jahren, wäre nicht nur die sogenannten Stabilisatoren
wirken lassen, sondern gleich am Anfang eines Jahres im Sinne des
Lissabon-Prozesses in Bildung, Forschung, Entwicklung, Bildungstransfer
und öffentliche Infrastruktur inklusive Städtebau zu investieren.
Das ist aber erst jetzt möglich geworden durch die andere Interpretation
des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes, der
uns bisher daran gehindert hat, eine mehrjährige aktive Infrastrukturpolitik
zu machen, ohne mit den Maastricht-Kriterien in Konflikt zu geraten.

Sozi: Die Begründung von Münte ist aber
nicht gerade sinnvoll, oder? Wenn Harz IV noch nicht greift die
Wahl vorzuziehen? Was soll sich an der Politik ändern, wenn
nach einem rot-grünen Wahlsieg (!?) die Bundesratsmehrheit
bestehen bleibt?

Ludwig Stiegler: Ich habe vor ein paar Zeilen
schon darauf hingewiesen, dass – siehe Beispiel Oskar Lafontaine
– ein Ministerpräsidenten ein Jahr vor einer Wahl auf einen
parteipolitischen Kurs zwingen kann, wie es Angela Merkel derzeit
macht. Sobald klar ist, dass wir unsere Mandat um vier Jahre verlängert
bekommen haben, werden aus Unionspolitikern wieder Ministerpräsidenten,
die im Vermittlungsausschuss wieder kompromissfähig sind. Die
Blockade im Bundesrat wäre mit einem Wahlerfolg der SPD am
18. September damit definitiv überwunden.

Moderator: Nachfrage zu den Ausführungen
zum EU-Stabilitätspakt:

kleiner unternehmer: Wollen Sie damit sagen, die
EU hat durch den Stabilitätspakt eine wirksame Bundespolitik
verhindert? Sie sind also gar nicht schuld?

Ludwig Stiegler: Wir haben im Rahmen der europäischen
Bedingungen zu handeln und müssen das natürlich auch verantworten.
Aber es kommt ja nicht von ungefähr, dass die EU den Stabilität-
und Wachstumspakt jetzt auch als Wachstumspakt liest, und nicht
wie in der konservativen Vergangenheit nur als Stabilitätspakt.
Da ist es uns – Schröder sei Dank – gelungen, eine neue Lesart
und neue Handlungsfähigkeit für alle europäischen
Staaten durchzusetzen. Übrigens, selbst Oskar Lafontaine hat
den so genannten Linken in der Fraktion unter Hinweis auf den Pakt
Investitionsprogramme, die wir damals schon zur Stabilisierung der
Konjunktur und der Bauwirtschaft gefordert haben, abgelehnt.

Hartmut: Glauben Sie nicht, dass die plötzliche
Unterstützung der gesamten Partei für den Kanzler eher
reines Selbstinteresse ist? Laut Umfragen laufen über 100 Abgeordnete
Gefahr, ihr Mandat zu verlieren.

Ludwig Stiegler: Die SPD steht hinter dieser Regierung
und die Abgeordneten haben es durch ihren Einsatz in den Wahlkreisen
durchaus mit in der Hand, über die Stabilität ihrer Mandate
mit zu entscheiden. Geschlossenheit ist eine gute Empfehlung für
die Wählerinnen und Wähler. Unser Problem ist es häufig,
dass wir gerne diskutieren – dabei müssen wir aber auch in
Kauf nehmen, dass uns die Öffentlichkeit als nicht einig wahrnimmt
und die Geschlossenheit einer politischen Organisation im Ranking
der politischen Wählerschaft ein ganz wichtiges Asset.

Moderator: Zur Koalitionsfrage:

dkeeper: Herr Stiegler, wie steht die SPD zu einer
möglichen Rot-Gelben Koalition? Ein absolutes Ding der Unmöglichkeit
oder eine Option wie damals unter Brandt und Schmidt?

KleinerDachs: Herr Stiegler was halten sie davon
das Herr Müntefering bei Neuwahlen nicht unbedingt auf die
Grünen setzt?

Ludwig Stiegler: Rot-Blau-Gelb war in den 70er
Jahren eine Option, weil die FDP sozialliberal war. Davon kann heute
auf Bundesebene keine Rede mehr sein. Karl Hermann Flach ist lange
tot. Die Westerwelle-Partei ist eine kaltliberale Partei der Besserverdienenden.
Hier gibt es also kein gemeinsames Projekt auf Bundesebene. Und
im Übrigen hat Franz Müntefering zu Recht gesagt, die
Koalitionen ergeben sich aus den Wahlergebnissen. Und er hat deutlich,
dass er eine große Koalition nicht sucht. Jetzt haben wir
aber Wahlkampf und deshalb kämpft die SPD um möglichst
viele Stimme für das sozialdemokratische Projekt: Frieden,
Freiheit, soziale Gerechtigkeit, dazu Bildung, Forschung und Entwicklung,
damit wir auch in der Welt von morgen ein Spitzenlohnland bleiben
können und nicht in ein schwarzes Niedriglohnland absinken.

Moderator: Da die SPD nach ihrer Einschätzung
wahrscheinlich nicht "kaltliberal ist": gehört ein
Steuerzuschlag für Reiche ins SPD-Wahlprogramm?

Ludwig Stiegler: Das weiß ich jetzt nicht,
das werden wir beraten. Ich bin immer vorsichtig mit solchen Forderungen,
weil der Spitzensteuersatz auch der Steuersatz auf für etwa
90 Prozent der Unternehmen ist. Ich bin sehr dafür, in einer
künftigen Steuerreform Unternehmenssteuern und Eigentümersteuern
zu trennen. Also die Unternehmen steuerlich günstig zu behandeln,
damit sie investieren und Arbeitsplätze schaffen. Und die Anteilseigner,
wenn sie hohe Erträge schaffen, auch zur Finanzierung heranzuziehen.
Aber soweit sind wir noch nicht, da sind noch viele Vorarbeiten
zu leisten.

bndagent24: Könnten Sie sich vorstellen,
die Unternehmenssteuern progressiv zu staffeln? So dass Unternehmen,
die durch Arbeitsplatzabbau besonders viel verdienen – durch einen
höheren Steuersatz stärker belastet werden als der Mittelständer,
der wegen sozialer Unternehmenspolitik geringere Gewinne erwirtschaftet?

Ludwig Stiegler: Das klingt in der Theorie sehr
einfach, ist aber in der Praxis kaum abzugrenzen und durchzuführen.
Ich denke, wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass investiertes
Kapital heute den ganzen Globus als alternativen Standort zu Wahl
hat, wir müssen zur Kenntnis nehmen dass die Kapitalmärkte
weltweit miteinander vernetzt sind und in Zukunft die institutionellen
Anleger, also die Pensions- und Rentenfonds der Länder, die
eine private Altersvorsorge haben, ganz wichtige Investoren werden.
Wenn wir Löhne und Gehälter haben wollen, müssen
wir dafür sorgen, dass sie bei uns investieren und zwar dauerhaft.
Deshalb würde ich den Unternehmenssektor mit anderen Augen
ansehen als die Privatsphäre. Hier ist es in der Tat notwendig,
dass leistungsfähige Bürger entsprechend ihrer Finanzkraft
zum Gemeinwohl beitragen. Deshalb wollen wir ja auch die soziale
Bürgerversicherung, die allen Menschen unabhängig von
Alter und Einkommen die optimale Versorgung gewährleistet.

Moderator: "Die Mehrwertsteuer wird so oder
so erhöht", meint Schleswig-Holsteins Innenminister Stegner.
Er hält das auch für erforderlich, um die Lohnnebenkosten
zu senken. Hat er Recht?

Ludwig Stiegler: Ralf Stegner ist gelegentlich
ein Dampfplauderer, wie wir Bayern sagen. In einer Zeit, in der
bei den direkten Steuern etwa noch 18 Milliarden abbaufähige
Subventionen das Steueraufkommen schmälern, sind diese das
Hauptziel und nicht die Belastung der Verbraucher. Wer jetzt Mehrwertsteuererhöhungen
ankündigt, treibt Handwerk und Handel schier in die pure Verzweiflung,
denn bei der gegenwärtigen Binnennachfrage wären die nicht
in der Lage, diese Steuern an die Verbraucher weiterzugeben. Und
es wäre auch nicht fair, die Verbraucher zu belasten wenn man
noch andere Spielräume hat, die derzeit leider von der Union
blockiert werden.

Pinkwart: Warum setzt man nicht für unterschiedliche
Artikel auch unterschiedliche Mehrwertsteuersätze fest?

Ludwig Stiegler: Wir haben unterschiedliche Mehrwertsteuersätze
und hatten ja schon vorgeschlagen, manche steuerliche Ausnahmen
abzuschaffen und einen einheitlichen Mehrwertsteuersatz für
eine Reihe von Produkten vorzusehen. Das ist im Bundesrat und im
Vermittlungsausschuss gescheitert.

Arno: Senkung der Lohnnebenkosten führt laut
Umfrage nicht zu Investitionen, sondern nur die Nachfrage auf dem
Markt – stimmen Sie dem zu?

Ludwig Stiegler: Die Senkung der Lohnnebenkosten
ist ein wichtiges mittelfristiges Projekt. Ich bin nahe bei den
skandinavischen Modellen, die soziale Sicherheit mehr über
die Steuern finanzieren als über die Arbeit. Wenn es uns gelänge,
hier in einem mehrjährigen Zeitraum einen Shift von der Lohn-
und Gehaltsfinanzierung zur Steuerfinanzierung zu schaffen wäre
es sicher für viele mittlere und kleiner Unternehmen leichter,
die Beschäftigung zu halten oder auszubauen. So etwas wird
man aber nie durch einen Big Bang schaffen können, sondern
dass braucht einen kontinuierlichen Prozess, damit sich Gesellschaft
und Wirtschaft anpassen können.

Mustermann: Was erwartet den Wähler, wenn
schwarz-gelb gewinnt?

Ludwig Stiegler: Unsicherheit in der Außenpolitik.
Hätten Stoiber und Merkel 2002 gewonnen, ständen deutsche
Soldaten im Irak. Nur Gerhard Schröder hat bisher bewiesen,
dass er selbstbewusst mit den amerikanischen Freunden umgehen kann.
CDU und CSU haben sich meistens nur angebiedert. In der Wirtschaft
ein Abbau der Arbeitnehmerrechte. CDU/CSU und FDP bedeuten das Ende
der Tarifautonomie, das Ende einer funktionierenden Betriebsverfassung
und für mehr als die Hälfte der Unternehmen das Ende des
Kündigungsschutzes. Jetzt lesen wir heute auch noch, dass sie
den Abbau der steuerlichen Entlastungen Sonntags- und Nachtarbeiter
und der Pendler wollen. Union und FDP fahren eine Niedriglohnstrategie.
Sie wollen Lohnsenkungen durch generelle Arbeitszeitverlängerungen
oder durch direkte Weise, durch Abbau der Tarifverträge oder
durch sog. Einstiegslöhne durchsetzen. CDU/CSU bedeuten den
Wiedereinstieg in die Atomwirtschaft und das Ende des Ausbaus für
die erneuerbaren Energien, die wir eingeleitet haben.

Moderator: Wie bewerten Sie die neuen Vorschlägen
von Stoiber konkret?

Ludwig Stiegler: Edmund Stoiber outet sich als
einer, der die Menschen bisher belogen und betrogen hat. Jetzt will
er plötzlich die Pendler belasten – seine Wahlhelfer hat er
anderes verkünden lassen. In der Tagespropaganda betont er
immer das Soziale im Namen der CSU, die Besteuerung der Sonntags-
und Nachtarbeiter ist eine seltsame Interpretation dieses Grundsatzes.
Ich bin gespannt, was Horst Seehofer dazu sagen wird. Aber ich sage:
nur weiter so, kommt raus aus eurer Deckung und sagt den Menschen
was ihr wirklich wollt, dann ist mir um die Zustimmungskurve in
den nächsten Wochen nicht bange.

Moderator: Zum Thema "Unsicherheit in der
Außenpolitik":

Mutti_02: Herr Stiegler, wie bewerten Sie das
‚Nein’ der Franzosen zur EU-Verfassung?

w.glogau: Wagen Sie eine Prognose, weil die Niederlande
heute über die EU-Verfassung abstimmen werden?

Ludwig Stiegler: Die Entscheidung der Franzosen
war meiner Ansicht nach eine Absage an das Europa des Kapitals und
eine Aufforderung an alle, das soziale Europa zu bauen. In Frankreich
hat gerade die auch von uns abgelehnte Dienstleistungsrichtlinie
eine große Rolle gespielt. Und ich denke, Europa muss den
Schwerpunkt von den Kapital- und Finanzmärkten weg und hin
zu einem Projekt eines sozialen Europas lenken. Das es den Menschen
auch in der Welt von Morgen Sicherheit im Wandel der Weltwirtschaft
bietet. Diese Chance haben wir: Europa ist immer aus und durch Krisen
weiter gekommen. Wir werden auch diese Krise überwinden, weil
eben Europa für uns alle auch Friedensordnung heißt.
Die Holländer werden, nach dem was ich weiß, heute mehrheitlich
mit Nein stimmen.

Moderator: Letzte Frage: Das Urteil gegen den
russischen Oligarchen Chodorkowski wurde allseits kritisiert, Schröder
hält den Prozess hingegen für demokratisch. Müsste
sich die Bundesregierung da nicht anders positionieren und deutliche
Kritik äußern?

Ludwig Stiegler: Damit habe ich mich zu wenig
selber befasst. Da empfehle ich einen Chat mit meinem Kollegen Gernot
Erler, der ein Experte gerade der Russlandpolitik ist und gerade
ein Buch veröffentlicht hat. Ich selber will mich nicht als
Außenpolitikexperte aufspielen.

Moderator: Doch noch eine persönliche Frage
zum Schluss: Haben Sie daheim wirklich dutzende von roten Pullis
im Schrank?

Ludwig Stiegler: Ja, in der Tat, ich habe an die
30, mal 40 zu Hause. Ich kriege viele geschenkt und muss manchmal
wieder welche verschenken. Ich muss zwei Wohnungen damit ausstatten
und zwei Kofferumläufe damit ausstatten. Außerdem hat
sich meine Figur in den letzten Jahren zwischen L, XL und XXL bewegt.

Moderator: Unsere Zeit ist schon wieder um. Vielen
Dank an alle User für das große Interesse. Etliche Fragen
sind leider unbeantwortet geblieben. Vielen Dank, Herr Stiegler,
dass Sie sich Zeit für den Chat genommen haben. Das Transkript
dieses Chats finden Sie auf den Seiten der Veranstalter. Den nächsten
Chat gibt es Morgen, ab 13.00 Uhr, mit dem FDP-Fraktionsvize Rainer
Brüderle. Das tacheles.02-Team wünscht allen noch einen
angenehmen Tag!

Ludwig Stiegler: Servus an alle, die mitgemacht
haben. Kümmert Euch um die Themen und um die Unterschiede,
dann ist mir um die Zukunft nicht bange.