Ute Vogt, Staatssekretärin
im BMI, war am 27. Juni zu Gast im tacheles.02 Live-Chat von tagesschau.de
und politik-digital.de.

Moderator: Liebe Politik-Interessierte,
willkommen im tacheles.02-Chat. Unsere Chat-Reihe wird veranstaltet
von tagesschau.de und politik-digital.de und unterstützt von
tagesspiegel.de. Unser Gast heute ist die stellvertretende SPD-Vorsitzende
Ute Vogt. Sie ist parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium
und will 2006 Ministerpräsidentin in ihrer Heimat Baden-Württemberg
werden. Guten Tag, Frau Vogt!

Ute Vogt: Guten Tag.

Moderator: Die Regierung hat gerade erst den Spitzensteuersatz
gesenkt, jetzt soll die so genannte Reichensteuer kommen. Das riecht
nach Populismus.

Ute Vogt: Es ist sicher auch noch ein Symbol dafür,
dass man alle an den notwendigen Investitionen beteiligt. Der Satz
mit plus drei Prozent gilt für alle ab 250.000 Euro Jahreseinkommen.

Klassengestell: Welche Reaktion erwarten Sie in
Bezug auf die Millionärsbesteuerung im Wahlprogramm der CDU/CSU?

Ute Vogt: Ich glaube, dass in der CDU/CSU so was
überhaupt nicht vorkommt. Dort werden weitere Steuersenkungen
versprochen und spätestens nach der Wahl würde eine CDU/FDP-Regierung
weitere Steuersenkungen mit der Mehrwertsteuer ausgleichen müssen.

Klapperschlange: Frau Vogt, glauben Sie wirklich,
dass Sie die Wähler nach Hartz IV mit einem kleinen Stück
Zuckerbrot (Mindestlohn) überzeugen können?

Ute Vogt: Ich persönlich bin überzeugt,
dass Hartz IV notwendig und richtig war und deshalb werbe ich sehr
bewusst auch mit dem, was wir bereits beschlossen haben und nicht
nur mit den Ergänzungen. Wer ein solidarisches Deutschland
auch in Zukunft will, muss solche Reformen heute durchführen.

Madface: In Deutschland liegt eindeutig eine wachstumsdefizitäre
Arbeitslosigkeit vor. Die SPD redet allerdings weiter von einer
gerechteren Verteilung der verbleibenden Arbeitsplätze. Die
CDU scheint sich nun für den kommenden Bundestagswahlkampf
das Wort „Wirtschaftswachstum“ zu reservieren. Bisher
wurde von Seiten der Union allerdings noch nicht ganz klar, was
für ein positives Wachstum getan werden soll. Was schlagen
Sie vor?

Ute Vogt: Wir setzen auch auf neue Arbeitsplätze.
Die Energiepolitik ist für mich eines der wichtigen Wachstumsfelder
und Investitionen in Bildung und Forschung können ebenfalls
zu mehr Wachstum beitragen. Dafür würden wir z.B. die
Eigenheimzulage streichen, um die notwendigen Investitionen zu tätigen.

fagvf345: Warum kommt die Millionärssteuer
erst jetzt im Wahlkampf auf den Tisch?

Ute Vogt: Weil wir innerhalb der SPD dazu durchaus
unterschiedliche Positionen hatten und uns jetzt für die Zukunft
geeinigt haben. Außerdem wären solche Vorschläge
bisher auch an der Unionsmehrheit im Bundesrat gescheitert.

clemens123: Glauben Sie über eine neue Steuer
eher Kapital anzuziehen oder zu vertreiben?

Ute Vogt: Weder noch. Wer über 250.000 Euro
im Jahr verdient, wird keinen großen Beeinträchtigungen
spüren. Ich glaube an die Bereitschaft vieler Menschen auch
in diesen Einkommensklassen, etwas für die Gesellschaft zu
tun. Sonst gäbe es z.B. auch nicht so viele Stiftungen in Deutschland.

Daniel_Sei: Die SPD hat doch jegliche Glaubwürdigkeit
verloren, zuerst Agenda 2010 und Hartz IV, jetzt führt sie
sich plötzlich wieder als Partei der kleinen Leute auf, das
ist doch ein einziger Widerspruch.

Ute Vogt: Ist es nicht. Hartz IV hat gerade vielen
kleinen Leuten neue Chancen eröffnet. Zwei Drittel der bisherigen
Sozialhilfeempfänger erhalten durch Hartz IV endlich verbindliche
Angebote zur Qualifizierung und zur Vermittlung in den Arbeitsmarkt.
Es ist besser, wenn ein Sozialsystem Teilhabe ermöglicht, als
dass wir auf Dauer darauf setzen, dass Menschen von staatlichen
Leistungen abhängig bleiben.

Daniel_Sei: Die SPD hat Veräußerungen
von Unternehmensbeteiligungen steuerfrei gestellt. Franz Müntefering
hat sich dann über die ‘Heuschrecken ‘ beklagt, die über
die deutsche Wirtschaft herfallen. Wie kann das sein?

Ute Vogt: Wir haben damals bezweckt, dass Unternehmen
stärker investieren. Tatsächlich wurde die Regelung aber
ausgenutzt. Deshalb haben wir auch korrigierend eingegriffen und
es gilt heute eine Mindestbesteuerung in Deutschland, die versuchen
wir gerade auch auf europäischer Ebene zu vereinbaren.

suka: Warum schafft es eine renommierte Partei wie die SPD nicht
den Wähler/Bürger über seine Reformen ausreichend
zu informieren und reformiert nur ständig und andauernd über
die Köpfe der Wähler hinweg? Als Endverbraucher dieser
Politik hat man stark zu kämpfen, die Reformen auch zu verstehen
oder gar nachzuvollziehen!

Ute Vogt: In der Tat haben wir häufig den
Fehler gemacht, zu wenig über die Probleme zu reden und gleich
Lösungen anzubieten. Das fehlende Problembewusstsein, manchmal
bis in die eigenen Reihen, hat dann lange, schwierige Debatten zur
Folge gehabt. Und die Lösungen wurden oft nicht akzeptiert,
weil man die Notwendigkeit mancher Reform gar nicht eingesehen hat.
Wir haben zu wenig Kraft auch auf die Überzeugung in die eigenen
Reihen gesteckt. Aber ohne die Überzeugungskraft der gesamten
Mitgliedschaft ist es schwieriger, die Bürgerinnen und Bürger
zu erreichen. Die Medien helfen dabei in der Regel nicht.

Moderator: Die User sind an Ihrer Arbeit interessiert.
2 Fragen im Paket:

robot: Frau Vogt, Was machen Sie eigentlich – d.h. was ist Ihr
„Aufgabenbereich“ im BMI?

MußGauerWeg18: Was genau machen Sie eigentlich
im Innenministerium?

Ute Vogt: Parlamentarische Staatssekretäre
sind das Bindeglied zwischen Ministerium und Parlament. Ich habe
keine speziellen Themen zugeordnet, sondern arbeite im gesamten
Themenbereich des Ministeriums. Zum einen in Vertretung des Ministers,
z.B. auf Terminen, die er nicht selbst wahrnehmen kann. Zum anderen
in Richtung Parlament, indem ich das Parlament regelmäßig
über wichtige Vorhaben informiere, bis hin zu konkreten Gesetzesverhandlungen,
bei denen zwischen Ministerien und Abgeordneten die einzelnen Formulierungen
ausgehandelt werden müssen. Die Themenbreite des Ministeriums
geht von Terrorismusbekämpfung über Zuwanderung bis zu
Sport und vielem mehr.

Klapperschlange: Sehr geehrte Frau Vogt, Sie sind
ja unter anderem auch für die Modernisierung des Staates zuständig.
Welche Gefahr lauert für die elektronische Demokratie im Falle
eines Regierungswechsels?

Ute Vogt: Mein Eindruck ist, dass die CDU eine
sehr konservative Einstellung zur elektronischen Kommunikation hat.
Wir haben durch das Innenministerium heute fast 400 Dienstleistungen
der gesamten Bundesregierung ins Netz gebracht und es ist unser
erklärtes Ziel, den Bürgerinnen und Bürgern unkomplizierten
Zugang zu den Behörden zu verschaffen. Ich sehe in der CDU
niemanden, der das in ähnlicher Weise offensiv vorantreiben
wird, wie wir das bisher getan haben.

Georg_Hoezle: Sie sind ja offensichtlich ganz
bewandert in Sachen Offene Software: Wie will die Bundesregierung
offene Software in Deutschland zu einem Wirtschaftsfaktor machen?
Neben SAP gibt ‘s ja keine nennenswerten Schmieden in Deutschland.
Ist offene Software nicht eine Option für den Wissensstandort
Deutschland?

Ute Vogt: OSS ist für uns ein wachsendes
Feld und gibt gerade kleineren und mittleren Unternehmen große
Chancen. Wir fördern im BMI OSS offensiv, indem wir die Einführung
von OSS in der Verwaltung selbst anregen und dafür sorgen,
dass das Wissen darüber möglichst viel verbreitet wird.
Ich kann nur empfehlen, gehen sie auf unsere Homepage: www.bmi.bund.de
und lassen sie sich dort zu unseren Initiativen führen.

Ubuntu-Häuptling: Wie sehen Sie die Entwicklung
der Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst? Herr Schily
will ja auch hier stark kürzen.

Ute Vogt: Wir haben keine Kürzungen beschlossen,
sondern eine überfällige Modernisierung des öffentlichen
Dienstes. Das Bezahlungssystem soll umgestellt werden, die tatsächliche
Leistung am Arbeitsplatz soll künftig stärker bewertet
werden. Andere Bausteine, wie Lebensalter oder Zugehörigkeit
zum Dienst, sollen dagegen z.B. bei Beförderungen weniger wichtig
sein. Das Ganze wurde gemeinsam mit den Gewerkschaften auf den Weg
gebracht. D.h. wir entwickeln unsere Modernisierung gemeinsam mit
den Betroffenen.

Carsten: Warum verzögert ihrer Meinung der
Kanzler seit fünf Wochen eine klare Entscheidung über
Neuwahlen. Ein Rücktritt wäre doch die verfassungskonforme
und zügigste Lösung.

Ute Vogt: Ein Rücktritt des Kanzlers hätte
zur Folge, dass ein neuer Kanzler gewählt werden müsste.
Dazu gibt es im Bundestag keine Alternative. Gerhard Schröder
soll Kanzler bleiben.

Ulinux: Für wie wichtig erachten Sie einen Generationenwechsel
in der SPD, um bei den Wählern besser anzukommen?

Ute Vogt: Ich glaube, eine Partei ist dann erfolgreich,
wenn sie auch in ihrer Führung eine gesunde Generationenmischung
hat. Die nächste Gelegenheit, diese herzustellen, bietet sich
bei der Aufstellung der Kandidatinnen und Kandidaten für die
Bundestagswahl. Dort wo ich Verantwortung trage, will ich als Landesvorsitzende
dafür sorgen, dass sowohl Ältere mit Erfahrung als auch
neue junge Leute zum Zuge kommen.

Moderator: Nach sieben Jahren Rot-Grün wirkt
die SPD personell ausgezehrt. Sie gehören in der nachrückenden
Generation zum Spitzenpersonal, wollen aber im Bund nicht mehr mitmischen.
Können Sie das Ihrer Partei gegenüber überhaupt verantworten?

Ute Vogt: Eine Partei wird immer getragen aus
guten Leuten in den Ländern und im Bund. Ich will mehr Verantwortung
in Baden-Württemberg, weil ich dort Ministerpräsidentin
werden möchte. Aber ich möchte mich gleichzeitig weiter
als stellvertretende Bundesvorsitzende auch auf der Bundesebene
einbringen, sofern die Basis mich dort erneut wählt.

utzeeeeee: Wie schätzen Sie die derzeitige
politische Lage in den Bundesländern ein, wäre die Bundesregierung
nach einer Wiederwahl überhaupt handlungsfähig?

Ute Vogt: Eine klare Wahl für die jetzige
Bundesregierung würde auch die unionsregierten Länder
unter Druck bringen und wäre das politische Signal, dass die
CDU mit ihrer Blockadepolitik nicht zu Mehrheiten kommt. Sie würde
zwangsläufig ihre Strategie ändern müssen und sich
im Bundesrat an Sachlösungen beteiligen.

Tom11: Frau Vogt. Sehen sie das auch als Schwäche
der SPD, in den letzten sieben Jahren nicht viel stärker für
das skandinavische Modell eines erfolgreichen sozialdemokratischen
Staates geworben zu haben und nun dem neoliberalen Modell der Union
nichts entgegenzusetzen zu haben?

Ute Vogt: Jedenfalls haben wir es versäumt,
rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass nur ein starker Staat etwas
für seine Bürgerinnen und Bürger tun kann. Bei uns
ist den Menschen viel zu wenig bewusst, dass ihre Steuern dazu dienen,
der Bevölkerung in Form von Bildung, Infrastruktur oder Sicherheit
auch Gemeinschaftsleistungen zurückzugeben. In den skandinavischen
Ländern ist die Bereitschaft Steuern für die Gemeinschaft
zu zahlen ungleich höher.

MenschMeier: Szenario: Die Union gewinnt die Wahl
und kürzt weiter, ändern wird sich dadurch nichts und
die Menschen werden immer unzufriedener. Ist das nicht Wasser auf
die Mühlen der Extremisten und wie kann man dem begegnen, denn
die Gefahr des beschriebenen Szenarios besteht ja, oder?

Ute Vogt: Die Gefahr besteht sicherlich. Begegnen
kann man dem, indem man vor der Wahl die Alternativen auf den Punkt
bringt. Der Vorteil der Neuwahl ist, dass die CDU jetzt klar sagen
muss, wofür sie steht und nicht mehr allein nur die Regierung
kritisieren kann. Die Menschen haben die Wahl zwischen einer sozialen
Marktwirtschaft, in der notwendige Reformen gemacht werden, aber
solidarische Absicherung Selbstverständlichkeit bleibt oder
eben dem amerikanischen "Hilf-dir-selbst-Modell", für
das die CDU steht. Abgleiten in Extremismus kann man nur verhindern,
wenn man deutlich macht, dass die Bürger auch mit ihrer Stimme
gestalten können und eine Verantwortung bei der Stimmabgabe
haben.

Madface: Sind Sie von den Gewerkschaften enttäuscht,
weil diese sich bei der kommenden Bundestagswahl diesmal nicht eindeutig
für die SPD aussprechen wollen?

Ute Vogt: Mich hat mehr enttäuscht, dass
einige Gewerkschaftsfunktionäre die positiven Leistungen, wie
die Absicherung der Tarifautonomie, die Ausweitung der Mitbestimmung
und den Erhalt des Kündigungsschutzes überhaupt nicht
erwähnen. Eine Wahlempfehlung müssen überparteiliche
Gewerkschaften nicht geben. Aber meine Erwartung ist schon, dass
die Regierung, die gewährleistet, dass Gewerkschaften nicht
in ihrer Substanz geschwächt werden, nicht so bekämpft
wird wie das zum Teil der Fall war.

derWolter: Die Linke in Deutschland ist mal wieder
dumm genug, sich selbst in Knie zu schießen. Die Linkspartei
will die SPD für ihre Reformen abstrafen und bereitet damit
Angela Merkel den Weg ins Kanzleramt, womit die Reformen noch deutlich
schärfer werden. Wie will die SPD im Wahlkampf darauf reagieren?

Ute Vogt: Der Zusammenschluss von PDS und Freunden
hat nur die Funktion, Proteststimmen zu sammeln. Wir wollen uns
bemühen, um die Wählerinnen und Wähler zu werben,
um klar zu machen, dass man mit einer Wahlentscheidung jemandem
auch Macht und Vertrauen in die Hand gibt. Zwei Führungsfiguren
wie Gysi und Lafontaine, die beide gezeigt haben, dass sie dann
davon laufen, wenn sie wirklich gestalten müssen, haben solches
Vertrauen nicht verdient.

Moderator: Täuscht der Eindruck oder wirken
die Sozialdemokraten derzeit gegenüber der Konkurrenz von Links
recht hilflos?

Ute Vogt: Es ist für uns nicht einfach, der
großen Medienaufmerksamkeit, die die beiden Führungsfiguren
genießen, mit gleicher Macht entgegen zu treten. Das Phänomen
wird sich aber sicher legen, wenn PDS und Anhängsel mal wirklich
inhaltlich Farbe bekennen müssen. Derzeit lebt das Ganze noch
davon, dass eben etwas Neues auf der Bühne geschieht.

tacko: Hallo Frau Vogt! Von Ihnen als Mitglied des Parteipräsidiums
möchte ich gerne wissen, warum sich die SPD-Führenden
so herablassend über Oskar Lafontaine äußern, ihn
zum Teil persönlich niedermachen, anstatt sich inhaltlich mit
ihm auseinanderzusetzen, wo die derzeitige SPD-Führung offenbar
nicht viel entgegenzusetzen hat.

Ute Vogt: Ich habe von Oskar Lafontaine bislang
außer Schmähreden noch nicht viel hören können.
Konstruktive Vorschläge oder gar Lösungsansätze,
die er früher ja durchaus entwickelt hat, sind heute nicht
mehr zu finden. Die Enttäuschung über ihn liegt an dem
Missbrauch unseres Vertrauens. Er war Parteivorsitzender und Finanzminister,
er hat uns damals beide Ämter vor die Füße geworfen
und ist geflohen, anstatt sich seiner Verantwortung zu stellen und
zu gestalten.

Moderator: Wenn die neue Linkspartei 8 oder 10
Prozent bekommt, wird die SPD dieses neue Phänomen kaum dauerhaft
ignorieren können, oder?

Ute Vogt: Da sie diese Prozentzahl nicht erreichen
wird, muss man sich darauf nicht einlassen. Man kann mit Protesthaltung
immer Unzufriedene aktivieren, wirkliches Vertrauen in der Breite
zu schaffen gelingt damit nicht.

Daniel_Sei: Frau Vogt, haben Sie Oskar Lafontaines
neuestes Buch gelesen? Da finden sich jede Menge konstruktiver Lösungsansätze.

Ute Vogt: Ich werde ihn sicherlich nicht auch
noch finanziell unterstützen, indem ich seine Bücher kaufe.
Ich kenne seine Reden, lese in der Zeitung, was er von sich gibt
und habe bisher wirklich nichts entdeckt, was neu wäre und
wirklich umsetzbar.

Arc: Hartz IV ist das Werk der SPD. Zwar von CDU/CSU toleriert.
Was ist daran sozial? Die PDS und die Alternative Liste haben mehr
für den „kleinen Mann“ übrig als die neoliberale
SPD. Wodurch unterscheidet sich die SPD eigentlich von der bürgerlichen
CDU?

Ute Vogt: Bei Hartz IV erhalten die Menschen einen
Anspruch auf Vermittlung und viele erstmals einen Anspruch auf Qualifizierung
und Fortbildung. Es ist sozial, wenn für Sozialhilfeempfänger
wieder die Grundlagen geschaffen werden, dass sie sich überhaupt
um einen Arbeitsplatz bewerben können. Die CDU will im Vergleich
dazu die Gelder für aktive Arbeitsmarktpolitik zusammenstreichen.
Die so genannte "Linkspartei" hat die Illusion, dass man
staatliche Leistungen auf Dauer in der bisherigen Form finanzieren
kann und dass man Menschen helfen würde, indem man sie in Abhängigkeit
von staatlichen Leistungen hält.

amir128: Warum gestehen sich die Politiker nicht
öffentlich ein, dass Arbeitsplätze von der Wirtschaft
geschaffen werden und heutzutage kaum noch Einfluss seitens der
Politik besteht? Stattdessen sollte die Außenpolitik hervorgehoben
werden, die ja in den Augen der meisten Deutschen vorbildlich war.

Ute Vogt: Außenpolitik ist wirklich ein
Feld, das in der öffentlichen Darstellung viel zu kurz kommt.
Denn hätten Frau Merkel und Herr Stoiber die letzten Jahre
regiert, wären wir an vorderster Front beim Irakkrieg dabei.
Trotzdem muss das Thema Arbeit eine gleich große Rolle spielen,
denn die Menschen wollen eben Antworten auf beides, Außen-
und Innenpolitik. Richtig ist, dass Politik nur Rahmenbedingungen
festlegt und nicht selbst Arbeitsplätze schafft. Das ist mit
ein Grund, warum Franz Müntefering die Diskussion um die Verantwortung
der Unternehmer für unser Land begonnen hat.

Moderator: Frau Vogt möchte 2006 Ministerpräsidentin
werden. Dazu mehrere Fragen:

Ulinux: Welche Chancen rechnen Sie sich im Landtagswahlkampf gegen
Herrn Oettinger aus? Wird es nach der Bundestagswahl eine Trendwende
bei den Landtagswahlen geben?

Madface: Rechnen Sie sich als Spitzenkandidatin
der SPD in Baden-Württemberg wirkliche Chancen aus, Ministerpräsidentin
zu werden?

Daniel_Sei: Wie hoch schätzen sie Ihre Chancen
ein, in Baden-Württemberg Ministerpräsidentin zu werden?
Wie verstehen Sie sich mit dem dortigen SPD-Politiker Ulrich Maurer,
der ein heftiger Kritiker der rot-grünen Regierungspolitik
ist?

Ute Vogt: Die nordrhein-westfälische Landtagswahl
hat gezeigt, dass es – für die SPD „leider“, in
diesem Fall – keine Stammländer für einzelne Parteien
mehr gibt. Deshalb gilt auch für Baden-Württemberg: Vor
jeder Wahl müssen alle das Vertrauen der Bürgerinnen und
Bürger neu erringen. Mit Günter Oettinger hat Baden-Württemberg
einen Ministerpräsidenten, der in seiner Person und mit seinem
Verhalten einen totalen Gegensatz zu mir darstellt. Und deshalb
haben die Wähler hier eine richtige Auswahl.

Moderator: Zum Abschluss noch mal 2 Fragen zur
Reichensteuer mit ähnlichem Zungenschlag:

Human: Besteht nicht die Gefahr bei der höheren
Besteuerung der Reichen, dass die Steuerflucht noch mehr steigt?

Helge: Frau Vogt, Sie glauben also im Ernst daran, dass eine „Reichensteuer“
nicht im Geringsten dafür sorgen wird, dass die Leute, die
die meisten Steuern bezahlen, nicht vertreiben werden. In einer
globalisierten Welt, in der es kein Problem ist mal eben seinen
Wohnsitz in ein anderes Land zu verlegen?

Ute Vogt: Man muss ja die Dimension auch nicht
höher ansetzen als sie wirklich ist. Mit einem Aufschlag von
drei Prozent mehr wird niemand überstrapaziert. Und ich denke,
wer als Privatmann Steuerflucht begehen will, hat heute schon seinen
Auslandssitz, die anderen werden sicher ihren Beitrag auch jetzt
noch leisten, wenn er ein klein wenig höher ist als früher.

Moderator: Unsere 60 Minuten Politik-Chat sind
um. Vielen Dank für das große Interesse. Herzlichen Dank
an Sie, Frau Vogt, dass Sie sich die Zeit für den Chat genommen
haben! Das Chat-Protokoll finden Sie wie immer auf den Seiten der
Veranstalter. Der nächste Chat findet am Mittwoch, den 6. Juli
von 13 bis 14 Uhr statt. Zu Gast ist dann Bundesgesundheitsministerin
Ulla Schmidt.

Ute Vogt: Herzlichen Dank für die vielen
und vielfältigen Fragen. Ich hoffe, Sie bleiben an Politik
interessiert und informieren sich nicht nur weiter regelmäßig
im Netz, sondern auch auf vielen politischen Veranstaltungen. Ich
bin überzeugt, wer gut informiert ist, kann gar nicht anders,
als der jetzigen Regierung weiter die Zustimmung zu geben.