Am Mittwoch, 17. Mai, war Renate
Künast, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag,
zu Gast im tagesschau-Chat in Kooperation mit politik-digital.de.
Sie beantwortete Fragen zur BND-Affäre und zum geplanten Bundeswehreinsatz
im Kongo.

Moderator: Liebe Freunde des tagesschau-Chats,
heute ist die Chefin der Grünen Bundestagsfraktion, Renate
Künast, ins ARD-Hauptstadtstudio gekommen und dafür danken
wir ihr herzlich. In ihrer Funktion ist Frau Künast für
alle wesentlichen Politikfelder zuständig – daher sind auch
Fragen aus allen Bereichen willkommen. Die Fülle wird uns wie
immer zwingen, zu sortieren. Frau Künast, können wir beginnen?

Renate Künast: Ja, wir können anfangen,
ich bin bereit.

Harry M: Thema: BND – Sehr geehrte Frau Künast,
es ist sehr traurig, dass Sie als führende Politikerin den
BND (eine der wichtigsten Einrichtungen) als Sauladen bezeichnen.
Denn erstens würde in keinem Land über dieses Thema so
ein Wind gemacht. Es ist traurig genug, dass die Information so
an die Öffentlichkeit gekommen ist. Wenn es aber Ihre ehrliche
Meinung ist, dann frage ich mich, wieso Sie zur Zeit Ihrer Regierung
so gar nichts gemacht haben.

Renate Künast: Da stecken viele Einzelfragen
drin, ich versuche sie einzeln abzufragen: Ich habe mich sehr kritisch
über den BND geäußert, weil er in der letzten Zeit
immer wieder gezeigt hat, dass er sich nicht an die Regeln hält.
Mich ärgert, dass sie auch die Pressefreiheit und das Recht
aller Menschen, sich durch eine unabhängige Presse zu informieren,
nicht respektieren. Einige führen in der Behörde ein Eigenleben,
tricksen sogar ihren Präsidenten aus. Deshalb muss man hier
ganz klare Worte sagen. Ich meine, der BND braucht ein reinigendes
Gewitter. Erstens muss alles öffentlich gemacht werden. Zweitens
sind notfalls personelle Entscheidungen zu treffen und man muss
ein Verwaltungssystem entwickeln, das sicherstellt, dass sie sich
wirklich an Weisungen halten. Übrigens täuschen Sie sich
nicht: Auch in den USA wird sehr scharf, beispielsweise im Kongress,
über die CIA und ihre Aktivitäten diskutiert.

S. Rolfsson: Wenn sich der BND zu einem "Sauladen"
entwickelt hat, fand das ja wohl auch während Ihrer Regierungszeit
statt. Wo waren Sie bzw. Ihre Partei da?

Renate Künast: Bezüglich des Themas
Pressefreiheit hat sich der BND bereits Anfang der 90er Jahre falsch
verhalten und systematisch Journalisten benutzt. Wenn ich Aufklärung
sage, gehört auch dazu, ob in der grünen Regierungszeit
Fehler gemacht worden sind.

labersack: Frau Künast, der BND wird regelmäßig
von Skandalen eingeholt. Wäre es nicht an der Zeit, ihn grundlegend
umzustrukturieren, anstatt Bauernopfer zu bringen?

Renate Künast: Ja, er braucht ein reinigendes
Gewitter und mindestens ein internes Kontrollsystem, was dafür
Sorge trägt, dass Weisungen eingehalten werden. Mir reicht
es nicht, wenn die Bundesregierung jetzt sagt, der BND dürfe
keine Journalisten anwerben, um Eigenschutz zu betreiben.

silke: Befürworten Sie einen Rücktritt
Ernst Uhrlaus vom Posten des BND-Chefs?

Renate Künast: Mir scheint, das Hauptproblem
ist weit vor der Zeit von Ernst Uhrlau entstanden, nämlich
Anfang der 90er Jahre. Wir müssen als erstes aufklären,
wer die Verantwortung dafür trägt und dann geht es an
personelle Konsequenzen. Mir fällt auf, dass es damals um die
Namen Schmidtbauer und Hanning ging. Schmidtbauer war im Kanzleramt
der verantwortliche Koordinator. Der heutige Staatsminister im Innenministerium,
Herr Hanning, war damals seine rechte Hand.

S. Rolfsson: Sie wollen "alles öffentlich
machen". Das geht aber bei einem Geheimdienst nicht, da dieser
ja dann kein Geheimdienst mehr ist!

Renate Künast: Tja, Geheimdienst in einem
Rechtsstaat darf aber nicht heißen, dass der einen Fehler
nach dem anderen macht, ohne dass alle Abgeordneten oder die Öffentlichkeit
erfährt, was vorgefallen ist. Hier hat der Geheimdienst übrigens
in ein Grundrecht eingegriffen. Die Pressefreiheit ist im Grundgesetz
geschützt. Die Grenzen der Veröffentlichung des Berichtes
können jetzt nur darin liegen, dass z.B. die Daten von Opfern
nicht veröffentlicht werden.

Maass: Ich hätte gerne, dass sie auf die
Frage eingehen, wo ihre Partei war als das alles passierte, denn
das besteht ja nicht erst seit der neuen Legislaturperiode.

Renate Künast: Wir klären ja jetzt die
Details auf und ich werde mir genau die Abläufe vorlegen lassen.
Ich weise aber auf eines hin: Die Probleme haben massiv begonnen
und stattgefunden vor unserer Regierungszeit. Im Parlamentarischen
Kontrollgremium ist damals darüber nicht berichtet worden.

Moderator: Ist das PKG die einzige Möglichkeit
für eine Partei, an solche Informationen zu kommen?

Renate Künast: Außer sie haben einen
Informanten direkt im Dienst. Jetzt aber kommt es auf eines an:
Dass wir die Aufarbeitung nicht nur im PKG machen, das auch unter
Geheimhaltung arbeitet. Ich meine, dieses muss auch im Rechts- und
Innenausschuss besprochen werden. Dort geht es schließlich
um die Wahrung von Grundrechten. Was mir noch fehlt, ist eine Äußerung
der Medien selbst. Schließlich müssen sich auch Journalisten
die Frage stellen, ob es ihren ethischen Grundsätzen entspricht,
mit Geheimdiensten zusammen zu arbeiten. Ich meine nein, weil auch
sie das Vertrauen brauchen bei Informationen, die sie weitergeben,
sauber zu sein und nicht beeinflusst zu werden.

meier22: Ist das PKG nicht ohnehin überholt?

Renate Künast: Nein, das PKG ist nicht überholt.
Wenn man einen BND braucht, um sich gegen Angriffe von außen
zu schützen, dann braucht man logischerweise eine Kontrolle,
die ebenso wie der Dienst selbst unter Bedingungen der Geheimhaltung
eine parlamentarische Kontrolle gewährleistet. Die Grünen
haben allerdings einen Änderungsantrag für das Gesetz
über das PKG eingebracht. Wir halten einige Punkte für
veränderungsbedürftig. Das PKG soll in Zukunft eine Art
Selbstbefassungsrecht haben, also Punkte auf die Tagesordnung setzen
können und nicht auf die Verwaltung warten müssen.

Langzeitstudent: Als Laie stellt man sich einen
"Eingriff in die Pressefreiheit" so vor, dass die Presse
darin gehindert wird, über bestimmte Themen zu berichten. Wieso
stellt es einen Eingriff in die Pressefreiheit dar, wenn sich der
BND darüber informiert, womit sich Journalisten beschäftigen?
Ist das nicht auf gewisse Weise sogar Pflicht des BND? Wäre
ja peinlich, wenn die Presse regelmäßig schneller wäre,
als der BND…

Renate Künast: Erstens ist die Presse bei
uns frei und unabhängig. Unser GG sagt, dass eine Zensur nicht
stattfindet. Und in unserem System darf der Staat Eingriffe nur
vornehmen, wenn er dazu ausdrücklich berechtigt ist. Es gibt
aber keine Ermächtigung, in der Arbeitsweise der unabhängigen
Medien rumzuschnüffeln. Und die Medien brauchen ja gerade diesen
Schutz, der sich auch auf ihre Informanten bezieht, um Dinge herauszufinden,
die andere z.B. vertuschen wollen.

volvic: Thema: Murat Kurnaz. Sehr geehrte Frau
Künast, "Zeit" und "Spiegel" behaupten,
die amerikanische Regierung hätte der rot-grünen Regierung
die Freilassung von Murat Kurnaz aus Guantanamo nach Deutschland
angeboten und die rot-grüne Regierung hätte das abgelehnt,
obwohl die Grünen offiziell die Freilassung von Kurnaz fordern.
Ist das wahr?

Renate Künast: Jetzt bewegen wir uns auf
einem schwierigen Terrain mit zum Teil Geheimhaltung. Ich will aber
soviel sagen: Nach meinem Kenntnisstand wollten die USA, dass die
Bundesrepublik ihn als Informanten des Geheimdienstes benutzt. Das
ist abgelehnt worden.

Moderator: Siegfried Kauder ist gegen eine Veröffentlichung
des BND-Untersuchungsberichtes. Argument: Die Arbeit des BND würde
behindert. Hat er Recht?

Renate Künast: Nein, er hat nicht Recht.
Man muss sich zwar den Umfang der Veröffentlichung genau ansehen,
aber im Prinzip gilt, wer Fehler macht, soll nicht durch Geheimhaltung
geschützt werden. Den allergrößten Schaden für
den BND und seine Arbeit haben die Mitarbeiter angerichtet, die
Journalisten angeworben oder abgeschöpft haben mit dem Ziel,
Eigensicherung zu betreiben. Ich mache mir heute weniger Sorgen
um Geheimnisverrat und die Frage, wie die Wahrheit ans Licht kam,
als vielmehr darüber, welches Verständnis von Demokratie
eigentlich im BND vorherrscht.

Maßanzug: Wie bewerten Sie die Kosten, die
durch den Umzug des BND nach Berlin entstehen? Ist das wirklich
nötig? Womit werden diese Kosten (1,5 Mrd.) gerechtfertigt?

Schuppe: Was ist Ihre Meinung zu dem geplanten
Umzug des BND; nur weil in Bayern ein paar Sturköpfe sitzen,
kommen nun immense Kosten auf die Steuerzahler zu, auf Grund der
zwei getrennten Standorte, oder?

Renate Künast: Wir Grünen waren nie
Befürworter eines Umzuges. Probleme innerhalb des BND muss
man durch gute Führung lösen. Insgesamt ist dieser Umzug
einfach sündhaft teuer, das Geld könnte man bestens für
andere Dinge verwenden. Mir fällt als erstes Bildung ein. Der
faule Kompromiss, der mit dem Land Bayern jetzt geschlossen wurde,
macht durch einen Teilumzug das Ganze noch teurer.

KonstantinS: Wird der BND eigentlich auch die
Aktivitäten im Kongo begleiten?

Renate Künast: Jetzt geht es beim Kongo um
etwas ganz anderes, nämlich die Bitte der UN, den Demokratisierungsprozess
zu unterstützen. Seit 2003 gibt es dort das MONUC-Mandat. Der
Kongo steht nach einem Bürgerkrieg, der über 3,8 Millionen
Menschen das Leben kostete, jetzt vor demokratischen Wahlen und
die UN hat die EU gebeten, durch die Anwesenheit von Soldaten quasi
potentielle Putsch-Aktivitäten ein Stück weit abzuschrecken.
Das wird im Ansatz von den meisten von uns für richtig gehalten.
Europa hat auch einfach eine Verpflichtung, Afrika bei Demokratisierung
zu helfen.

Maßanzug: Können da 800 Soldaten wirklich
ausreichen? Für das ganze Land bräuchte man doch wesentlich
mehr?

Renate Künast: Ja, sie müssen sehen,
es sind schon MONUC-Soldaten im Land und der deutsche Beitrag ist
nur Teil eines gesamteuropäischen Einsatzes. Die UN hat gebeten
und der Bitte wird entsprochen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Für uns Grüne ist wichtig, dass der Teil, den die deutschen
Soldaten in Kinshasa leisten, nicht allein auf die Stadt beschränkt
wird. Das vom Bundestag abzustimmende Mandat soll unserer Meinung
nach die Möglichkeit schaffen, im Umfeld von Kinshasa gegebenenfalls
Nothilfe leisten zu können. Alles andere wäre unverantwortlich.

Moderator: Erst war von 500 Soldaten die Rede,
jetzt von 800 – war Verteidigungsminister Jung da nicht richtig
im Bilde und fühlen sie sich schlecht informiert?

Renate Künast: Die Information hat jetzt
gerade erst richtig begonnen, nachdem die EU ihre Planung vervollständigt
hat. Nach meinem jetzigen Stand geht es um 500 Soldaten im Einsatz
und ca. 280 Reservesoldaten. Wir werden über die Details am
Freitag im Bundestag und dann in den Ausschüssen diskutieren.
Uns ist wichtig, dass die deutschen Soldaten nicht eng auf die Stadtgrenzen
reduziert sind. Wir Grüne haben darüber hinaus einen Antrag
gestellt, dass die Bundesregierung über diesen militärischen
Beitrag hinaus Leistungen auf der zivilen Ebene erbringen muss.
Das fängt bei einer stärkeren Hilfe an, eigene Sicherheitskräfte,
z.B. Polizei, auszubilden und geht bis dahin, dass der Kongo zu
unterstützen ist in der Bekämpfung von Korruption. Das
Land wird nur wirksam unterstützt, wenn das langfristig geschieht.

Assassini: Sehr geehrte Frau Fraktionsvorsitzende,
glauben Sie, dass die Anstrengungen der Bundesregierung bezüglich
des Kongoeinsatzes etwas mit der Erweiterung des UN-Sicherheitsrats
zu tun haben, der ja erweitert werden soll und um den sich Deutschland
bewirbt?

Renate Künast: Ich sehe keinen Zusammenhang.
Es hat aber etwas damit zu tun, dass die EU jetzt zum ersten Mal
wirklich international geprüft wird, ob sie bereit und in der
Lage ist, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu
praktizieren. Die Frage an uns Europäer ist doch, ob wir auch
wirklich ein Interesse haben, international Verantwortung zu übernehmen.
Mir kommt es darauf an, dass die Europäer in Zukunft immer
mehr zeigen, dass Konflikte mit zivilen Mitteln gelöst werden,
statt mit Militäreinsätzen und dass wir bei Demokratisierungsprozessen
helfen. Es wäre falsch, wenn die EU das immer anderen allein
überlässt.

Katena: Hätten die Soldaten nicht schon vor
geraumer Zeit in den Kongo entsandt werden müssen?

Renate Künast: Die UN hat ihre Bitte gerade
für den Zeitraum der Wahlen und der Installierung einer neuen
Regierung ausgesprochen. Deshalb ist es richtig, den Einsatz dann
auch auf den Zeitraum von vier Monaten zu beschränken. Wie
ich schon gesagt habe, sind weitere Unterstützungen nicht durch
das Militär zu leisten.

Mikaelle: Wieso leistet Deutschland mit 800 von
insgesamt 1500 Soldaten den größten Teil?

Renate Künast: Es gibt innerhalb der EU für
solche Fälle immer genaue Absprachen. Einzelne Mitgliedstaaten
der EU machen dann z.B. Zusagen, wie viel Personal mit welcher besonderen
Qualifikation sie gegebenenfalls einsetzen könnten. Das dient
der besseren Planung. So kommt auch zustande, dass absprachegemäß
das Leitungszentrum dieses Einsatzes geografisch in Deutschland
– nämlich in Potsdam – sein soll, obwohl es sich um einen europäischen
Einsatz handelt. Der Leiter wird ein deutscher Soldat sein, allerdings
tätig als Europäer und entsprechend weisungsgebunden.

earsonic: Sehr geehrte Frau Künast, inwieweit
ist der Einsatz der deutschen Soldaten im Kongo auch als Beginn
einer strategischen Platzierung von europäischen Interessen
auf dem Afrikanischen Kontinent im Sinne z.B. von Ressourcensicherung
für die Zukunft (bevor andere zuschlagen: USA, China, Stichwort
Öl vor Nigeria, etc.) zu sehen?

Renate Künast: Das ist eine sehr gute Frage.
Es soll nach grüner Auffassung eben nicht ein Zugriff auf die
dortigen Bodenschätze sein. Der Demokratisierungsprozess im
Kongo soll ja gerade bewirken, dass nicht nur Eliten des Landes
und ausländische Unternehmen den Zugriff auf die reichhaltigen
Bodenschätze haben. Unsere Idee ist, dass Europa auch wegen
der Kolonialgeschichte z.B. Belgiens heute eine Verantwortung hat,
diesen Ländern bei der Demokratisierung zu helfen. Deshalb
haben Europäer die verschiedenen afrikanischen Staaten schon
lange Zeit dabei beraten, eine afrikanische Union zu gründen
und stärker auszubauen. Gemeinsam wären diese Entwicklungsländer
stärker in ihrer Interessenvertretung gegenüber anderen.
Das war auch immer ein starkes Interesse von Joschka Fischer.

Cow: Falls es zu Problemen in Kongo kommen sollte,
wie würden sich die europäischen Soldaten verhalten?

Renate Künast: Einmal ist klar, wenn einige
versuchen würden, im Kongo zu putschen, müssten die deutschen
Soldaten eingreifen. Das ist gerade der Zweck ihrer Anwesenheit,
die Missachtung des Wahlergebnisses zu verhindern. Absprachegemäß
haben die deutschen Soldaten in diesem Einsatz speziell die Aufgabe,
in Notfällen zu evakuieren. Dafür sind sie speziell trainiert.
Ich habe natürlich die große Hoffnung, dass es am Ende
nicht zu einem Einsatz von Waffen kommen wird. Natürlich machen
wir uns auch Gedanken um den Schutz unserer Soldaten. Deshalb schauen
wir uns im Parlament den Auftrag sehr genau an.

Moderator: Muss man nicht bei solchen Einsätzen
die Bevölkerung vorher immer wieder massiv darauf hinweisen,
dass die Möglichkeit besteht, dass deutsche Soldaten sterben
könnten?

Renate Künast: Ich glaube, das wissen alle,
dass, wenn man solcherart Verantwortung übernimmt, darin auch
konkrete Gefahren für die Menschen stecken. Deshalb nehmen
die Bundestagsabgeordneten ihre Verantwortung bei der Planung jetzt
sehr ernst.

June2006: Die FDP möchte sich nun mehr der
Umweltpolitik annehmen. Sehen die Grünen ihr Stammgebiet gefährdet?

silke: Die FDP will jetzt auch in das Thema Umweltpolitik
einsteigen. Braucht die Partei der Grünen ein neues Profil,
um sich deutlicher von anderen abgrenzen zu können?

Renate Künast: Also wir Grünen sind
immer dafür vorzudenken. Wir analysieren: Was sind eigentlich
die Bedingungen in 10, 20 Jahren und machen daraus kreative und
innovative Politik – schon heute. Deshalb haben wir auch immer gedrängelt,
aus der unsicheren Atomenergie auszusteigen und erneuerbare Energien
zu fördern, für Einsparmaßnahmen zu sorgen und Effizienztechnologien
zu fördern.

Bei der FDP kann Guido Westerwelle gerne jeden Monat ein neues
Image erfinden, man wird es ihm nicht glauben. Er will Umweltpartei
sein, beschließt dann aber sofort längere Laufzeiten
für Atomkraftwerke. Er will Bürgerrechtspartei sein, hat
aber nicht mal einen Frauenförderplan innerhalb der FDP. Er
will Bürokratie abbauen, beschließt aber gleich an den
überholten Pflichtmitgliedschaften in den Handwerkskammern
festzuhalten. Sie sehen, ich bin gelassen.

Sozialdemokrat21: Werte Frau Künast, macht
es für ihre Partei einen Unterschied, dass Kurt Beck neuer
SPD-Vorsitzender ist?

Renate Künast: Wir betrachten jetzt mal sehr
gespannt, welche Politik Kurt Beck jetzt vertreten wird. Er ist
eigentlich ein Vertreter der alten konservativ-etatistischen SPD,
hat aber das Papier von Matthias Platzeck für die Programmdebatte
übernommen. Wir werden es beobachten. Ein Problem für
die SPD wird sicherlich auch sein, dass ihr Koalitionspartner, die
CDU, sich ja gerade verändert. Auch da wissen wir noch nicht
wohin.

hallodri: Wie beurteilen Sie eigentlich die Arbeit
Ihres Nachfolgers Horst Seehofer?

Renate Künast: Sie wissen mein Herz schlägt
für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Die haben es eigentlich
verdient, dass man ihre Interessen vertritt. Bei der Verbraucherinformation,
bei der Agrogentechnik zum Beispiel.

Moderator: Das waren 60 Minuten tagesschau-Chat
mit Renate Künast, bei der wir uns herzlich bedanken, dass
sie sich Zeit für uns genommen hat. Vielen Dank auch an unsere
User für ihre Fragen – verbunden mit der Bitte um Verständnis
an all jene, die heute nicht zum Zuge gekommen sind. Unser nächster
Chatgast wird am 22. Mai ab 13.20 Uhr Fritz Kuhn sein.

Renate Künast: Ich freue mich, dass es so
viele nachdenkliche Fragen gab, sowohl über den BND als auch
über den Kongo-Einsatz. Daran merkt man, dass in Wahrheit uns
allen die gleichen Fragen auf den Nägeln brennen.