Gerhard Bökel
Moderator:
So, Herr Bökel ist nun da. Herzlich willkommen im tacheles.02
Live-Chat. tacheles.02 ist ein Format von tagesschau.de
und politik-digital.de und wird unterstützt von tagesspiegel.de.
Heute ist der SPD-Spitzenkandidat und Chef der Hessen-SPD, Gerhard Bökel,
unser Gast. Herr Bökel, die Zeit rennt. Sind Sie nun soweit? dürfen
wir erfahren, warum Sie zu spät sind?

Gerhard Bökel:
Na klar. Der Endspurt hat begonnen. Es wollen so viele Menschen beim Straßenwahlkampf
etwas von mir wissen… Pardon für die Verspätung.

Moderator:
Gute Entschuldigung, Herr Bökel, Umfragen sind Umfragen, aber in
Ihrem Fall sind sie sehr deutlich. Wie unsere Chatter auch schon festgestellt
haben, liegen Sie momentan, knapp zwei Wochen vor der Wahl, bei 32 Prozent.
Welches Geheimrezept haben Sie nun noch gegen Roland Koch für den
Wahlsonntag?

Gerhard Bökel:
Ich persönlich liege besser. Unser Motto: kämpfen. Als alter
Hammerwerfer weiß ich: es kommt nicht auf den Vorkampf, sondern
auf den letzten Wurf an.

Wizbaden:
Fühlen Sie sich mit 33% in den Umfragen als Opfer der SPD-Bundespolitik?

Gerhard Bökel:
Nicht als Opfer, aber als Betroffener. Ich hätte mir weniger Gegenwind
gewünscht.

hessenpower:
Haben Sie nicht zu wenig auf die Schwächen der Union bzw. Roland
Kochs hingewiesen?

Gerhard Bökel:
Haben wir. Nur die Medien müssen uns dabei auch helfen. Das ist keine
Schuldzuweisung. Ich weiß natürlich aus eigener journalistischer
Erfahrung, dass man sich an das halten muss, was die Menschen auch wirklich
interessiert. Und da ist Irak und Bundespolitik offenkundig wichtiger.
Bis zum Wahltag muss klar sein: Es geht um Hessen. Wer Koch stoppen will,
muss wählen gehen.

Moderator:
Ob die Medien wirklich schuld sind? Zu Recht fragt „wessen“:

wessen:
Wie kommt es, dass Koch trotz der ganzen Skandale so viel Rückhalt
in der Bevölkerung hat?

Gerhard Bökel:
Das hat mit der gesamten Stimmungslage zu tun. Die letzten Umfragen zeigen:
ich bin für die Hessen glaubwürdiger und ehrlicher als der andere.

Borowski78:
Den Slogan "Erfolgsland Hessen" scheinen die Leute aber anzunehmen,
stimmt das denn nicht?
YaBasta: Naja, vielleicht ist ein geringerer Bekanntheitsgrad
positiver, als der Ruf, der dem werten Herrn Koch voraus eilt…

Gerhard Bökel:
Der Koch hat ja das Problem, dass ihn alle kennen. Möllemann
ist auch sehr bekannt! Und da ich sehr gute persönliche Werte habe,
setze ich natürlich alles daran dass der Bekanntheitsgrad bis zur
Wahl noch deutlich steigt.

yueno:
Herr Bökel, wie darf man Sie eigentlich einschätzen? Sind Sie
ein Mann der Mitte oder eher jemand, der quasi auch CDUler sein könnte?
Zumindest scheinen Sie ja nicht sehr traditionell zu sein, sprich die
sog. deutschen Sekundärtugenden, wie z.B. Pünktlichkeit!?!

Gerhard Bökel:
Also in die CDU passe ich sicher absolut nicht rein. Ich bin ein Mann
der linken Mitte. Gegen Pünktlichkeit ist nichts einzuwenden – aber
ich habe natürlich auch meine Schwächen.

Nordhesse:
Die CDU rühmt sich, dass unter ihr die Kriminalitätsrate gesunken
ist. Heute lese ich, dass das Gegenteil der Fall ist. Was sagen Sie dazu?

Gerhard Bökel:
Koch sagt die Unwahrheit. Die Kriminalität ist im letzten Jahr um
über 5% gestiegen. Übrigens: in meiner Zeit als Innenminister
ist die Kriminalität jedes Jahr rückläufig gewesen. Deswegen
ist es mal wieder unverfroren, wenn Herr Koch in Briefen an Tausende von
Bürgern schreibt, bei seiner Regierungsübernahme sei Hessen
ein Paradies für Kriminelle gewesen. Das ist auch eine Beleidigung
für die Polizei.

SmD: Was
soll gegen die Kriminalität unternommen werden. Ich hoffe das Ganze
entwickelt sich nicht zu einer Art "Polizeistaat“?

Gerhard Bökel:
Bei uns geht Prävention vor Repression. Natürlich müssen
Straftaten konsequent verfolgt werden, aber der Staat muss auch immer
die Freiheitsrechte im Auge behalten.

Südhesse:
Auf CDU-Plaktaten liest man auch "Unterrichtsgarantie erfüllt"
– Wie schätzen sie diese Aussage ein?
yueno: Ich als Schüler würde ganz gerne wissen, wie sie unser
Bildungsproblem in den Griff kriegen würden?

Gerhard Bökel:
Künftig keine Politik der Auslese. Unser Ziel ist die Förderung
aller Begabungen. Wichtig ist die frühe Bildung, Stichwort „Vorschule
für alle Kinder“. Außerdem brauchen wir Ganztagsschulen
für die Kinder, deren Eltern es wünschen – aber nicht nur zur
Verwahrung, sondern mit pädagogischem Profil. Auch für die Bildungspolitik
muss gelten: Chancengerechtigkeit.

Bibo:
Warum soll es in Hessen Ganztagsschulen geben? Ist dieses Model nicht
überholt?
juistgo2: Das Abi in Hessen ist aber nicht sehr viel wert. Woran liegt
das?

Moderator:
Ich war so frei und schick mal zwei.

Gerhard Bökel:
Im Gegenteil, Bibo. Das ist Zukunft. Wegen besserer Qualität von
Schule. Und wegen Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Südhesse:
Nochmal meine Frage: Wie schätzen Sie den CDU-Slogan "Unterrichtsgarantie
erfüllt" ein?

Gerhard Bökel:
Geht an der Realität vorbei. Täglich fällt Unterricht
aus. Ich habe Angst, dass die Kultusministerin der CDU zur Lieblingspolitikerin
meines kleine Enkels wird. Der kam jetzt mit einem Zettel an die Eltern
nach Hause: „Morgen fällt der Unterricht komplett aus“
(Kind freut sich, Mutter muss Betreuung organisieren).

KP:
Wo sollen die Stellen eingespart werden, die sie für die vielen Lehrer
und Polizisten benötigen?

Gerhard Bökel:
Wie immer: Gute Frage. Aber es wäre vermessen zu sagen,
das Personal für die Schulen könne generell eingespart werden.
Also müssen wir noch mal drauflegen. Es geht um die Zukunft unserer
Kinder.

Hesse: Ihre
Partner, die Grünen, sind strikt gegen einen Ausbau des Frankfurter
Flughafens. Was passiert mit dem Flughafen, wenn Sie die Wahl gewinnen?

Gerhard Bökel:
Wir verhandeln auf der Basis des Mediationsergebnisses, d.h.
absolutes Nachtflugverbot, Lärmreduzierungen tagsüber usw. Ausbau
nur, wenn alle Kriterien vorher rechtsverbindlich abgesichert sind.

Moderator:
Immer wieder schön, wenn alle mitchatten, daher:

Möllemann:
Herr Bökel, wie halten Sie es eigentlich mit der Wahrheit?
Sagen Sie dem Wähler vor der Wahl uneingeschränkt alles, was
auf ihn zukommt, wenn Sie die Regierungsverantwortung in Hessen übernehmen
würden? So wie Ihr Herr Schröder ;-))?

Gerhard Bökel:
Polemik beiseite: Ich verspreche, was ich halten kann.

Gerhard Bökel:
Apropos Möllemann: Sind sie der Parteifreund von Westerwelle?

Moderator:
Das hoffen wir natürlich immer, ich habe da aber so meine
leisen Zweifel.

Lynchwood:
Nach dem Spendenskandal der CDU und in Zeiten eines Lügenausschusses
im Bundestag sind viele Leute politikverdrossen. Was sagen Sie denen,
wenn Sie sie auf der Straße treffen?

Gerhard Bökel:
Was die Schwarzen zu verantworten haben, sollte man nicht allen Politikern
in die Schuhe schieben.

Moderator:
Der Möllemann ist ehrlich:

Möllemann:
Nein, es ist nur ein Alias!

Gerhard Bökel:
Aber Möllemann lässt sich doch keine Gelegenheit entgehen…
eigentlich…

relic:
Ihre Partei plakatiert jetzt "Kein Krieg im Irak". Wie soll
Ihnen dieses doch eher außenpolitische Thema bei einer Landtagswahl
helfen?

Gerhard Bökel:
Wir reden über das was die Menschen wirklich beschäftigt. Wenn
die anderen den Berlinern einen Denkzettel ausstellen wollen, dann sage
ich: Wer die Hessen-SPD wählt, stützt auch den Friedenskurs
der Bundesregierung.

Moderator:
Der Vorwurf des Populismus kommt dennoch:

kaktus:
Auf der Homepage sprechen Sie sich strikt gegen eine Krieg im Nahen Osten
aus. Ist das auch Populismus, s.o., was die Leute hören wollen? Inwiefern
betrifft der Irak-Konflikt die Hessenwahl? Es ist doch eigentlich Bundespolitik.

Gerhard Bökel:
Siehe vorige Antwort: Wer die Hessen-SPD wählt, unterstützt
auch die Bundesregierung, die auch nach den Landtagswahlen alles daran
setzen wird, dass keine deutschen Soldaten in den Irak geschickt werden.
Der Krieg muss verhindert werden.

verdorbener_brei:
Wie stehen Sie zu der Aussage der US Regierung, dass Deutschland und Frankreich
das „alte Europa“ sind?

Gerhard Bökel:
Haben die das gesagt? Der Außenminister bestimmt nicht.
George W. Bush würde ich das zutrauen.

Moderator:
Das war Verteidigungsminister Rumsfeld.

Gerhard Bökel:
Das passt. Überheblichkeit ist nicht angemessen.

Südhesse:
Herr Bökel, denken Sie nicht, dass Sie schon früher ins Rampenlicht
gemusst hätten, so wie etwa Christian Wulff aus Niedersachsen schon
früher bundespolitisch "auf den Putz" gehauen hat?

Gerhard Bökel:
Wulff hat zweimal verloren, ich gewinne beim ersten Mal.

Moderator:
Eine letzte Frage ohne Vorhersage eines Wahlausgangs:

butterchicken:
Hallo Herr Bökel, bisher kannte ich Sie nur aus dem hessischen
Landtagswahlkampf, da hat mich Ihre Wadenbeißerei gegen den (unsympathischen)
Roland Koch nicht überzeugt. Aber am Sonntag bei Christiansen haben
Sie bei mir richtig gepunktet, der erste intelligente Politiker seit langem.
Wenn Hessen schief geht, wäre dann die Bundespolitik ein Thema? Da
wären Sie eine Bereicherung!

Gerhard Bökel:
Ich will in Hessen gewinnen. Aber das Lob druck ich mir aus.

Moderator:
Sehr geehrter Herr Bökel, liebe Chatterinnen und Chatter,
die Stunde ist vorbei. Ich danke Herrn Bökel für die Antworten
und den Chat-Interessierten für die Fragen. Am Montag gibt es den
nächsten Spitzenkandidaten-Chat: Dann mit Christian Wulff, dem CDU-Spitzenkandidaten
in Niedersachsen. Ich hoffe, Sie sind wieder dabei! tagesschau.de, politik-digital.de
und tagesspiegel.de wünschen noch einen schönen Abend!

Gerhard Bökel:
Liebe Chatter und Chatterinnen, es hat mir Spaß gemacht. Schaut
mal auf mein homepage: www.boekel.de.

Moderator:
Der nächste Chat findet statt am
27.1.2003 (Mo) 16.30-17.30 Uhr: Christian Wulff, Vorsitzender der CDU
Niedersachsen!

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