Zu Besuch bei uns in der Speicherstadt nahm sich Herr Baring in diesem BOL-Chat
ausgiebig Zeit, alle Fragen der Gäste zu beantworten und seine neues Buch “Es lebe die
Republik, es lebe Deutschland” vorzustellen. (29. April 1999)

Larsandl:
Hallo Winkelhage
Moderator:
Im Namen von politik-digital, begrüsse ich Sie sehr herzlich zu unserem Chat, Professor Baring.
Moderator:
Unser Partner BOL freut sich auch, daß sie gekommen sind. 🙂
ArnulfBaring:
Guten Tag, ich freue mich hier zu sein
Fromme:
Guten Tag allerseits
Freitag_:
Hallo Herr Baring
Mark_Schmidt:
Hallo und Guten Tag Herr baring
wickie:
Vor welchen Herausforderungen steht die Bundesrepublik in den nächsten Jahren?
Moderator:
Herr Baring? Hören Sie uns?
ArnulfBaring:
Das Masse der Westdeutschen hat ja erst am 19. April diesen Jahres, bei
der ersten Sitzung des Bundestages im Berliner Reichstag eine Ahnung
davon bekommen, daß wir möglicherweise einen ganz anderen Staat
bekommen, nämlich die Berliner Republik. Bisher dachten sehr viele, es
bleibt die alte Bonner Republik, nur ein bißchen größer. In der alten
Bundesrepublik brauchten wir uns über das Kosovo und solche
unwirtlichen Gegenden keien Meinung zu bilden, weil der Eiserne Vorhang
und die Sovjetunion die Situation bestimmten. Jertzt entdecken wir eine
politische Erdbebenzone, die sich von der Adria bis zum Finnischen
Meerbusen erstreckt, von Albanien bis Weißrußland und den Baltischen
Staaten. Das wird uns noch viel Kopfzerbrechen machen.
Moderator:
Hoppla, können wir Sie bitten die Antworten auf mehrere Zeilen zu verteilen? Dankeschön. 🙂
Mark_Schmidt:
Wohin gehen wir denn nun herr Baring? Entwickelt sich die deutsche Demokratie zurueck -> Mediendemokratie?
ArnulfBaring:
Wieso zurück? Auf eine Mediendemokratie läuft es doch mehr und mehr zu.
popster:
Sie fordern eine neue Ostpolitik der Bundesregierung. Brauchen wir einen Einschnitt in der Außenpolitik wie in der Ära Brandt?
ArnulfBaring:
Der Einschnitt ist viel tiefer. Wir sind von allen westlichen Allierten am nächsten dran an dieser Erdbebenzone…
ArnulfBaring:
…. wenn es dort zu politischen, wirtschaftlichen und sozialen Krisen
kommt, stehen neue Flüchtlingswellen ins Haus. Aber die
Aufnahmekapazitäten sind, wie Schily sagt, erschöpft.
mielein:
werden sie bonn vermissen ?
ArnulfBaring:
Nein. Bonn war nur eine Geschäftsstelle. Wir brauchen aber eine Hauptstadt.
mielein:
das ist aber hart formuliert. bonn hatte auch einen besonderen charme
ArnulfBaring:
Ja hatte es. Aber der Charme führte Irre, er ließ die alte BRD
idyllisch erscheinen, provinziell. Das entsprach der damaligen Lage:….
ArnulfBaring:
….Ein umhegtes Puppenheim.
jennifer:
Herr Baring, glauben Sie, dass Sie als Historiker und
Politikwissenschaftler direkten oder indirekten Einfluss auf die
Politiker auswirken?
ArnulfBaring:
Kaum. Einfluß ist übrigens sehr schwer zu messen.
Fromme:
Sie haben ja auch beim Parteitag der FDP 98 gesprochen und stehen der
FDP nahe, wie beurteilen Sie die Vorbeiereitung der Partei auf den
Europa-Wahlkampf?`und ferner wie beurteilen Sie den aktuellen Kurs der
Partei?
ArnulfBaring:
Ich schätze Gerhardt, auch Westerwelle. Für die Chancen der FDP scheint
mir entscheidend, daß sie ein klares marktwirtschaftliches Profil
haben…
raupanski:
Herr Baring, was halten Sie vom derzeitigen “Wahlkampf” um das Amt des Bundespraesidenten?
ArnulfBaring:
…und sich dadurch von den übrigen Parteien, die alle Sozialstaatsparteien sind, unterscheidet.
ArnulfBaring:
zu raupanski: Ich sehe keinen Wahlkampf. Für mich steht die Wahl von Rau fest.
raupanski:
Was halten Sie von Johannes Rau? Glauben Sie, dass er die Schwierigkeiten dieses Amtes meistern kann (auch gesundheitlich)?
ArnulfBaring:
Ich hoffe es. Vor einer Amtszeit weiß man nie, was aus ihr werden wird.
mielein:
wird die fdp die grünen ablösen, als kleinerer koalitionspartner
ArnulfBaring:
Momentan unwahrscheinlich.
wickie:
Wie lange bleibt Schröder noch im Amt?
ArnulfBaring:
Ich bin kein Wahrsager.
wickie:
Was halten Sie von Online-Chats?
ArnulfBaring:
Amüsant.
pab:
Hallo Herr Baring, ich finde es klasse, dass Sie sich einmal auf diesem
Wege einer Diskussion stellen 🙂 Was wuerden Sie einem Studenten zur
Motivation raten, der sich heute nicht mehr so recht entscheiden mag,
Geschichte zu studieren?
ArnulfBaring:
Wenn man genau irgendeine nahe oder ferne Vergangenheit studiert lernt
man etwas, was man auch privat gebrauchen kann. Denn die Menschen haben
sich wenig geändert, nur die Moden.
Fischer:
Surfen Sie oft im Internet?
ArnulfBaring:
Nie.
Fischer:
Was waren Ihre erfolgreichsten Bücher?
ArnulfBaring:
Der Machtwechsel (Die Ära Brandt-Scheel) und Scheitert Deutschland?
liebling:
Welches Projekt gehen Sie als nächstes an? Ist ein neues Buch in Arbeit?
ArnulfBaring:
Ich hoffe, daß mein jüngstes Buch auch ein Erfolg wird: Es lebe die Republik, es lebe Deutschland.
popster:
Warum zu diesem Zeitpunkt eine “Ode auf die Republik”?
ArnulfBaring:
Weil die Deutschen mir zu miesepetrig sind…
Fischer:
Wie kommentieren Politiker Ihre Bücher?
ArnulfBaring:
… sie sollten stolz sein auf das in 50 Jahren Erreichte. Sonst werden sie auch mit der Zukunft nicht zurande kommen.
ArnulfBaring:
zu Fischer: Meist wohlwollend. Aber ich frage mich, ob sie die Zeit gefunden haben, sie zu lesen.
mielein:
die deutschen, oder wir deutsche ??
mielein:
warum sagt jeder “die” deutschen und nie “wir” ?
ArnulfBaring:
Ich sage immer wir! Schon seit langem.
ArnulfBaring:
Ist nur niemandem aufgefallen.
Fromme:
Sie sprechen in Ihrem heutigen Artikel in der Woche von einem Fruehwarn
System, welche P\erson/Instanz waere denn dafuer in Deutschland
geeignet?
ArnulfBaring:
Wenn wir die Notwendigkeit erkennnen, werden sich wache Landsleute finden, die das Frühwarnsystem entwickeln.
liebling:
Was würden Sie der Regierung raten, damit der Kosovo-Konflikt beendet wird?
ArnulfBaring:
Schwere Frage. Macht glaube ich allen viel Kopfzerbrechen. Als der
Luftkrieg losging, habe ich mich an meine Kindheit erinnert und
gedacht:…
ArnulfBaring:
1. Mit Luftkrieg allein wird man keine Lösung erreichen…
ArnulfBaring:
2. Erreichen wird man, daß Milosevic und die Bevölkerung Serbiens
zusammengeschweißt werden, weil niemand leiden kann, wenn ihm Bomben
auf den Kopf fallen.
raupanski:
Sind Sie fuer den Einsatz von Bodentruppen im Kosovo?
ArnulfBaring:
Ich muß vorausschicken, daß ich jede weitere Entwicklung für fatal halte…
pab:
Wo sehen Sie die deutsche Aussenpolitik in fuenf Jahren?
ArnulfBaring:
Sowohl die Eskalation wie den Abbruch des Luftkriegs. Ich fürchte, daß
man nicht vor Beginn genug nachgedacht hat über die verschiedenen
Alternativen.
ArnulfBaring:
Nochmals: Ich bin kein Prophet. Auf jeden Fall wird die Zukunft härter werden als die Vergangenheit.
Winkelhage:
In der Leseprobe bei BOL habe ich Ihr Plädoyer gelesen, das östliche
Mitteleuropa zu entdecken. Glauben Sie, dass diese Nachbarschaft (z.B.
mit Polen) sich jetzt schon entwickeln kann? Braucht es mehr Zeit oder
sehen Sie schon positive Ansätze?
ArnulfBaring:
Man hat gesagt, daß Deutschlands Gesicht 1945 gewaltsam nach Westen gedreht wurde…
ArnulfBaring:
Schon vor 1933 war unsere Ostpolitik viel weniger konstruktiv als die im Westen….
ArnulfBaring:
…. Wenn wir nicht Ostmitteleuropa als den wichtigsten Raum neuer Verantwortung entdecken, werden wir in große Krisen geraten.
sammer:
Hallo Herr Baring, ich bin ein wenig erstaunt, Sie hier bei BOL
anzutreffen. Schoen! Haben Sie schon einmal ein Buch online gekauft?
ArnulfBaring:
Nein lieber Herr Sammer. Aber ich werde mich bessern und dann bestelle ich es bei BOL.
wesen:
Welche politischen Wochenzeitungen schaetzen Sie, Herr Baring?
ArnulfBaring:
Ich lese fast alle, aber keine regelmäßig.
mielein:
und welche kollegen werden von ihnen gelesen ?
ArnulfBaring:
Viele, viele, viele. Z.B. aktuell lese ich gerade Schöllgen und Kershaw.
Mark_Schmidt:
Nachdem sie wohl jetzt erneut einen Bestseller geschrieben habe, wuerde
mich interessieren welches Projekt/Buch jetzt bei Ihnen auf der To-Do
Liste steht?
ArnulfBaring:
Bei jedem Buch schwöre ich mir: es war das Letzte. Von jetzt ab fährst du Rad und hast mehr Zeit für deine Kinder….
Moderator:
Lieber Herr Baring, wir haben uns sehr gefreut Sie hier begrüssen zu
dürfen. Im Namen von BOL und politik-digital wünschen wir Ihnen einen
schönen sonnigen Aufenthalt in der Speicherstadt!
ArnulfBaring:
…aber dann wiederholt es sich immer wieder, daß der Verlag mit einer unwiderstehlichen Idee kommt.
ArnulfBaring:
Für ein parr Fragen habe ich noch Zeit. Es macht mir sehr viel Spaß.
Fischer:
Kershaw? Die Hitler-Biografie? Ist sie gut?
ArnulfBaring:
Ja sehr gut.
Fischer:
Welche Bücher haben Sie in letzter Zeit beeindruckt?
ArnulfBaring:
Die Klemperer-Tagebücher, auch die der Nachkriegszeit.
LynX:
Herr Baring, Sie leben und arbeiten in Berlin. Ändert sich für Deutschland etwas, dadurch daß Berlin Hauptstadt ist?
ArnulfBaring:
Ja, ich denke. Bonn war immer idyllischer als die Bundesrepublik, Berlin ist krisenhafter, widersprüchlicher, bunter.
Mark_Schmidt:
Was halten sie von der Bezeichnung “Plenarbereich Reichstagsgebaeude” ?
ArnulfBaring:
Da kann man nur hohnlachen.
Fischer:
Außer Politik: Für was interessieren Sie sich noch? Fussball? Theater? Reisen?
ArnulfBaring:
Wie es im Who is Who steht: Reisen und wandern.
Winkelhage:
Auch mich würde das interessieren: wird Berlin eine “Mitte”? Für Deutschland, für den Brückenschlag in Richtung Osten?
ArnulfBaring:
Bisher lag die Hauptstadt nahe der Westgrenze, nun nahe der Ostgrenze.
Allenfalls kann man von der Rückkehr in die Mitte Europas sprechen.
Moderator
gratuliert: Sie sind unser erster Gast, der alle Fragen beantwortet! 🙂
ArnulfBaring:
Wir müssen uns mehr für die Völker östlich von uns interessieren. Da
ist viel Schönes zu entdecken, in Polen z.B. so herrliche Städte wie
Krakau und Thorn.
Moderator:
Ich werde mir demnächst Breslau ansehen..
Moderator:
Da kommt meine Familie her.. 🙂
ArnulfBaring:
Breslau ist auch ein sehr guter Gedanke. Sie sollten sich auf jeden
Fall auch die Aula der Universität ansehen. Da hängt z.B. Friedrich des
Großen an der Wand, den man da nicht vermuten würde….
ArnulfBaring:
… Als ich das erste mal in Breslau war, fragte mich mein polnischer
Gastgeber, welche Erinnerung ich an das dortige Schloß hätte….
ArnulfBaring:
Ich hatte keine Ahnung. Er sah mich strafend an und sagte: “Dort ist
der Orden des Eisernen Kreuzes gestiftet worden.” Da hab ich was über
den historischen Sinn der Polen gelernt.
ArnulfBaring:
Vielen Dank und auf Wiedersehen.
Moderator:
Welches Schloß war das? Zu Breslau?
der_junge_Mann:
da komme ich ja gerade “rechtzeitig”
Moderator:
optimal, djM! 🙂
ArnulfBaring:
Ja zu Breslau.
Moderator:
Kennen Sie das Haus zur goldenen Sonne?
der_junge_Mann:
Wieso verpasse ich immer die Diskussionen? 🙂
Moderator:
djM: weil Du nicht aufpasst 🙂
ArnulfBaring:
In Breslau?
Moderator:
Ja
der_junge_Mann:
ja, stimmt *g*
ArnulfBaring:
Dieses Haus kenne ich nicht.
Fischer:
Vielen Dank! Und Tschüss!
Moderator:
Na gut, dann ist es wohl nicht so wichtig wie ich dachte.
der_junge_Mann:
ok, gehe mal weiter
Moderator:
Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend, Herr Baring!
Moderator:
Danke auch für das persönliche Gespräch am Schluß.. 🙂
Fischer:
Kershaw? Die Hitler-Biografie? Ist sie gut?
Moderator:
Fischer: Hast Du Schluck-auf?
 


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