Am 10. Juli 2007 war der Anwalt David Ziegelmayer
zu Gast in der Blogsprechstunde von politik-digital.de in Kooperation
mit den Blogpiloten. Zum Thema Abmahnungen erklärte er den
richtigen Umgang mit Abmahnungsbescheiden und wie Blogger sich vor
ihnen schützen können.

Moderatorin: Hallo und herzlich
willkommen zur Blogsprechstunde, dem Chat von politik-digital.de
und den Blogpiloten. Zum Thema Abmahnungen und Urheberrecht ist
heute David Ziegelmayer zu Gast. Der Rechtsanwalt arbeitet bei der
Kanzlei Lampmann und Behn und schreibt für den kanzleieigenen
Blog.
Herr Ziegelmayer, kann es losgehen?

David Ziegelmayer: Bin drin!

David Ziegelmayer
David Ziegelmayer

Moderatorin: Unsere Nutzer konnten bereits im Vorfeld Fragen stellen
und bewerten. Die drei Fragen mit den meisten Stimmen eröffnen
den Chat. Hier Nummer eins:

ra: Stimmt es, dass immer mehr Rechtsanwälte
sich auf Abmahnungen spezialisieren, weil man damit Geld schneiden
kann und stimmt es, dass das meist eher unterbefähigte Rechtsanwälte
– aus Not – machen?

David Ziegelmayer: Na, das ist eine Einstiegsfrage. Ich kann in
jedem Fall bestätigen, dass es eine starke öffentliche
Aufmerksamkeit gibt. Sich „auf Abmahnungen zu spezialisieren"
ist im Übrigen nicht so leicht, weil ich die Materien Wettbewerbs-
und Urheberrecht für sehr kompliziert halte – das gilt vor
allem im prozessualen Bereich. Ob es besonders viele „unterbefähigte"
Anwälte gibt, mag ich nicht beurteilen. Das würde ich
nicht am Rechtsgebiet festmachen. Übrigens: So lukrativ und
einfach wie einige Mandate zum Beispiel im Arbeits- oder Scheidungsrecht
ist dieses Gebiet nicht unbedingt. Ich will auch nicht verheimlichen,
dass Abmahnungen auch eine Geldquelle für kämpferische
Anwälte auf Seiten des Abgemahnten sein können, die ihre
Mandanten oft in aussichtslose Prozesse schicken, weil sie sie in
dem leider weit verbreiteten Glauben bestärken, dass eine „Abmahnung"
an sich schon eine Form von Betrug sei.

hoschi: Was halten Sie von dem Vorschlag der Justizministerin
Zypries, dass Abmahnungen nur noch mit 50 Euro zu Buche schlagen
sollen?

David Ziegelmayer: Nicht sonderlich viel: Der
Vorschlag kehrt das Schadensrecht um, weil es (in dem eng umgrenzten
Bereich) dem Rechtsinhaber die kompetente Rechtsverfolgung durch
einen Anwalt erschwert, obwohl es sich nach unserem Recht fast immer
um Straftaten handelt. Wenn schon, dann sollte man konsequent sein
und das Urheberrecht, beziehungsweise das Kostenerstattungsrecht,
abschaffen. Es wäre dann auch nicht mehr gerechtfertigt, Anwaltsgebühren
für berechtigte Zahlungsansprüche beim Gegner einzufordern.
Meine Auffassung ist, dass ein solches System dann auch für
alle Rechtsgebiete gelten muss.

Smiers: Manchmal hat man den Eindruck, dass Abmahnungen
als Werk des Teufels angesehen werden. Argumente wie „Damit
werden ja nur kleine Unternehmen bestraft" oder „Das
ist nur Umsatzmache von Anwälten, die Abmahnungen um ihrer
selbst Willen versenden" hört man zuweilen. Halten Sie
Abmahnungen für ein legitimes Instrument in unserem juristischen
System? Erfüllt sie überhaupt irgendwelche Aufgaben?

David Ziegelmayer: Rechtsgeschichtlich wurde das Instrument zur
Vermeidung von Prozessen konzipiert. Man muss sich klarmachen, dass
dies nach wie vor gilt: Eine Abmahnung ist nichts anderes als die
Aufforderung „Lass es sein". Sie entlastet den Steuerzahler.

hmpf: Wie kann man es denn rechtfertigen, 6000
Euro für das Foto eines einfachen Brötchens zu verlangen
(Stichwort Marions Kochbuch)?

David Ziegelmayer: Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies verlangt
wird. Richtig ist, dass der Streitwert des Unterlassungsanspruchs
meist über 6000 Euro beträgt. Diesen Betrag muss aber
niemand zahlen, er ist Grundlage für die Berechnung von Anwalts-
und Gerichtsgebühren.

Moderatorin: Der Betrag, den der Beklagte zu zahlen hat, liegt also
darunter?

David Ziegelmayer: Oh ja: Bei einem Streitwert von 6.000 Euro beträgt
die Anwaltsgebühr etwa 450 Euro, was natürlich auch viel
Geld ist.

Kelko: Was kann ich denn tun, wenn ich eine Abmahnung
erhalten habe?

David Ziegelmayer: Zum Anwalt gehen…Aber das meinten Sie wahrscheinlich
nicht. Zu prüfen ist jedenfalls die Berechtigung der Abmahnung
und die Höhe des Gegenstandswertes.

abcde: Was passiert mir im Falle, wenn ich gar
nicht auf eine Abmahnung reagiere?

David Ziegelmayer: War die Abmahnung unberechtigt wahrscheinlich
nichts. War sie berechtigt, bekommen Sie wahrscheinlich einige Zeit
später eine einstweilige Verfügung durch einen Gerichtsvollzieher
zugestellt.

tobias: Kann ich auch für Inhalte abgemahnt
werden, die ich auf fremden Seiten veröffentliche? Zum Beispiel
in Kommentaren? Oder trifft das immer den Verantwortlichen der Seite?
Inwiefern kann man ihn dann haftbar machen?

David Ziegelmayer: Als Urheber eines rechtswidrigen Kommentars
sind Sie immer verantwortlich, auch wenn Sie ihn auf fremde Seiten
stellen. Der Betreiber kann als „Störer" haften.

nataku: Wann kann denn eine Abmahnung als berechtigt
gelten und wann nicht?

David Ziegelmayer: Für die Beantwortung dieser Frage brauchen
Sie wahrscheinlich den Anwalt. Zum Beispiel könnte jemand,
der gar keine Rechte an einem urheberrechtlich geschützten
Werk hat, auch keinen Unterlassungsanspruch geltend machen.

abcde: Kommt der Gerichtsvollzieher persönlich
bei einer einstweiligen Verfügung? Was passiert/heißt
das dann für mich?

David Ziegelmayer: Der Gerichtsvollzieher kann sich auch einen
Postbeamten als Helfer nehmen, der den Beschluss in Ihren Briefkasten
legt und damit wirksam zustellt. Für Sie bedeutet das, dass
Sie sich ab dem Zeitpunkt der Zustellung an die Verfügung,
beziehungsweise das Verbot, halten müssen, sonst riskieren
Sie ein Ordnungsgeld.

Smiers: Bei Abmahnungen geht es häufig um
Bildmaterial. Sollten die Ersteller dieser Bilder nicht ein Interesse
daran haben, dass ihr Material verbreitet wird, beispielsweise wenn
es sich um Stars handelt? Linux wird ja auch immer beliebter, das
zeigt ja, dass Informationsfreiheit auch dem Produkt hilft.

David Ziegelmayer: Die Politik der Berechtigten ist oft sehr verschieden.
Ein Hersteller eines Artikels wird sich wahrscheinlich freuen, wenn
die Produktbilder verbreitet werden. Er kann seine Meinung aber
auch von einem Tag auf den anderen ändern und die Verbreitung
verbieten lassen. Daher sollte man sich bei der Übernahme von
Bildern nie darauf verlassen, dass es „schon niemanden stören"
wird, solange man nichts schriftlich hat.

Moderatorin: Noch mal ganz allgemein zur Veröffentlichung von
Fotos:

Halloween: Welche Fotos darf ich denn auf meinem
Blog veröffentlichen, welche nicht?

Norbert: Darf ich Fotos von Freunden und Bekannten
veröffentlichen? Was muss ich dabei beachten?

David Ziegelmayer: Grundsätzlich darf ich nur „Lichtbilder"
(so nennt es das Gesetz) veröffentlichen, an denen ich das
Recht zur Veröffentlichung besitze. Kommt es zum Streit, trifft
die Beweislast dafür, dass die Verwendung berechtigt erfolgte,
immer den Verbreiter.

katzeshakira: Ist es legal, beim Verkauf von Markenwaren
bei Internetkaufhäusern die Bilder der Hersteller zu nutzen?
Macht es einen Unterschied, ob das Neu- oder Gebrauchtware ist?
Mir ist aufgefallen, dass das bei Ebay häufig so gemacht wird,
und ich ärger mich dann immer, dass ich mühselig meine
Bildchen knipse und hochlade.

David Ziegelmayer: Die Abbildung eines Produktes könnte dann
illegal sein, wenn es sich bei dem Produkt selbst um ein geschütztes
„Werk" handelt. Das müsste man im Einzelfall prüfen.
Jedenfalls sind Ihre Knipsbildchen ebenfalls automatisch geschützt
und niemand darf sie „klauen".

hanno: Reicht es denn, wenn ich mir mündlich
zusichern lasse, dass ich ein Foto veröffentlichen darf, oder
muss ich da was Schriftliches haben?

David Ziegelmayer: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen vor einem Richter
und erzählen ihm, dass Ihr Bekannter Ihnen die Verwendung seines
Fotos mündlich erlaubt hat. Er bestreitet das. Dann haben Sie
Pech gehabt.

teichtier: Wie sieht es denn mit der Verlinkung
von YouTube-Videos aus, also keine selbst gedrehten Filme, sondern
Musikvideos und ähnliches? Verstößt das nicht auch
gegen das Urheberrecht?

David Ziegelmayer: Ich halte es jedenfalls für sehr bedenklich,
auf eigenen Seiten YouTube-Fenster einzubauen, die auf urheberrechtlich
geschütztes Material verweisen. Sofern ich mir nicht sicher
bin, dass das Video geschützt ist, sollte ich es (auch nicht
über bebilderte Links) zugänglich machen.

Smiers: Werden (auch unberechtigte) Abmahnungen
nicht auch von Unternehmen genutzt, um ihren Wettbewerbern zu schaden?
Gerade wenn große Unternehmen kleine abmahnen, können
sie so die Kosten ihrer Konkurrenten in die Höhe treiben, denn
zumindest befassen muss man sich ja mit der Abmahnung. Kann man
da als kleines Unternehmen etwas gegen machen?

David Ziegelmayer: Es ist korrekt, dass das Wettbewerbsrecht ein
wenig nach dem Prinzip „Die Großen fressen die Kleinen"
funktioniert und die Unternehmen mit gefüllter Kriegskasse
ordentlich zulangen. Man muss aber auch bedenken, dass große
Unternehmen oft die Innovationsträger sind. Außerdem
bietet das Gesetz in bestimmten Fällen die Möglichkeit
an, Streitwerte mit Rücksicht auf den Angegriffenen zu senken.
Grundsätzlich ist aber beim Streitwert das Interesse des „Großen"
zu berücksichtigen, so dass es zum Beispiel bei großen
Markenrechtsinhabern zu horrenden Streitwerten kommt. Das ist letztlich
eine politische Frage.

Moderatorin: Zum Thema Streitwert:

Alter Hasse: Ist es richtig, dass durch die Abgabe
einer modifizierten Unterlassungserklärung mit mit dem Zusatz
„ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber rechtsverbindlich“
und ohne Übernahme irgendwelcher Kosten der Streitwert stark
gesenkt werden kann, da es nicht mehr um die Urheberrechtsfrage
sondern nur noch um die Rechtmäßigkeit der Abmahnung
und deren Gebühren geht? Würde dann in so einem Fall immer
noch der fliegende Gerichtsstand gelten, oder müsste die Abmahnerseite
ihre Forderungen am Wohnsitz des Beklagten einklagen?

David Ziegelmayer: Das ist so nicht korrekt. Eine solche Unterlassungserklärung
würde die Wiederholungsgefahr und damit die Möglichkeit
eines Eilverfahrens beseitigen, aber nichts am Gegenstands- bzw.
Streitwert „der Abmahnung" ändern. Das Gericht wird
in einer Gebührenklage dann prüfen, welcher Gegenstandswert
gerechtfertigt war. Für die Gebührenklage gilt (im Internet)
der „fliegende Gerichtsstand".

Moderatorin: Mal ein Schwenk zum Thema Urheberrechtsreform:

castrop: Was ändert sich mit der Urheberrechtsreform
für den Verbraucher? Darf ich noch Privatkopien ziehen?

David Ziegelmayer: Dieser Grundsatz soll mit dem bevorstehenden
„Zweiten Korb" der Reform nicht angetastet werden, wird
er aber doch. Denn das Gesetz erlaubt keine Umgehung von „wirksamen"
Kopierschutzmaßnahmen. Was das ist, wissen die Juristen wohl
selbst noch nicht so genau.

CC: Ist das Urheberrecht – auch in seiner überarbeiteten
Form – nicht hoffnungslos veraltet? Das Internet ist ein freies
Medium, was spricht dagegen, auch alle Inhalte frei nutzbar zu machen?

David Ziegelmayer: Da sind wir schon wieder bei der Politik. Alle
gesetzgeberischen Maßnahmen (von der 50-Euro-Klausel mal abgesehen)
und politischen Absichtserklärung („G8") deuten
in die entgegengesetzte Richtung. Natürlich besteht vor allem
unter den privaten Web 2.0 Nutzern das Wunschdenken nach einer gleichsam
kommunistischen Internetordnung, wo alles für alle frei verfügbar
ist. Mir hat aber noch keiner erklärt, wer die Inhalte, die
kreativ geschaffen werden, bezahlen soll.

Moderatorin: Eine Nachfrage zu einem rechtlichen Begriff:

hanno: Was versteht man denn unter einem „fliegenden
Gerichtsstand?"

David Ziegelmayer: Das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb und
die Zivilprozessordnung definieren den Gerichtsstand dort, wo eine
unerlaubte (Wettbewerbs-) Handlung begangen wurde. Im Internet wird
die Handlung regelmäßig in ganz Deutschland begangen.
Der Anspruchssteller oder Kläger kann sich also sein Gericht
aussuchen und zum Beispiel von Köln nach Hamburg „fliegen",
was manchmal taktische Vorteile bietet.

muh: „Keine Umgehung von „wirksamen"
Kopierschutzmaßnahmen"…In Finnland gab es ein Urteil,
dass die DVD-Verschlüsselung (DeCSS) nicht mehr wirksam ist,
da sie jedes Programm umgehen kann. Ist dann in Deutschland diese
Kopierschutzmaßnahmen noch gültig?

David Ziegelmayer: Ganz ehrlich: Keine Ahnung.

Smiers: Nur wenn ein Urheber die „Früchte"
seiner Arbeit genießen kann, besteht ein Anreiz, Urheber zu
sein – sollte das Urheberrecht nicht aus diesem Grund noch strikter
sein?

David Ziegelmayer: Das ist der Gegenpol zu dem oben skizzierten
Wunsch nach freier Verfügbarkeit geistigen Eigentums. Ich denke,
irgendwo muss ein Ausgleich geschaffen werden. Das Urheberrecht
ist bei uns bereits sehr strikt und urheberfreundlich. Ich halte
es deshalb für wichtig, dass ein Bewusstsein für „virtuelles"
Eigentum entsteht. Da ist die Welt aber komplett gespalten.

anonym: Ich finde raus, dass ein Leser meines
Blogs Teile meiner Einträge übernimmt, ohne dabei eine
Quelle anzugeben. Was kann ich tun?

David Ziegelmayer: Wenn die Beiträge in Ihrem Blog eine gewisse
„Schöpfungshöhe", also Kreativität erkennen
lassen, wird man davon ausgehen können, dass Ihre Einträge
ohne besonderen Hinweis urheberrechtlich geschützt sind. Dann
haben Sie in jedem Fall den Anspruch auf die Angabe der Quelle.
Ihre Ansprüche gehen aber noch weit darüber hinaus: Sie
könnten dem Content-Dieb die Benutzung untersagen lassen. Das
Mittel der Wahl wäre dann die Abmahnung, ob mit oder ohne Anwalt.

Moderatorin: Eine englische Frage. Für die deutschen Nutzer:
Wie sieht es mit Copyright und Photoshop aus? Verliert ein Fotograf
die Rechte an seinem Bild, wenn ein Designer dieses Foto für
künstlerische Zwecke verwendet (und verfremdet)?

Steven: Hello David. (Sorry in English) How about
copyrights and photoshopping? Does a photographer lose its rights,
when a designer uses its photo for art purposes?

David Ziegelmayer: Only if he creates a whole new artwork. It’s
not enough to just "use" a picture that doesn’t belong
to you. Ähem, so is my English. [Übersetzung:Nur wenn
er ein neues Kunstprodukt erschafft. Es reicht nicht aus, nur ein
Bild zu „benutzen“, dass dir nicht gehört.]

tobias: Wie ausführlich muss das Impressum
auf meinem Blog sein?

David Ziegelmayer: Das ist durch das Telemediengesetz in Paragraph
§5 vorgegeben, der eine ganze Reihe von Voraussetzungen aufzählt.
Der gilt allerdings nur für geschäftsmäßige,
in der Regel entgeltliche Dienste. Ob das Blog dazu gehört,
müsste man prüfen. Werbebanner könnten schon dafür
sprechen.

Moderatorin: Zurück zum Thema Abmahnungen:

Carnia: Die abmahnenden Anwälte behaupten
ja immer, dass ihre Software fehlerfrei ist. Nun liest man aber
immer wieder von Abmahnungen, die nicht stimmen können. Die
Beschuldigten können es nach der langen Zeit, die zwischen
Tat und Abmahnung liegen(Monate) nicht beweisen, dass sie nie was
Unrechtes getan haben. Wie soll, beziehungsweise kann man sich dagegen
wehren?

David Ziegelmayer: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich die Frage
verstanden habe, aber: Wenn der geschilderte Sachverhalt in einer
Abmahnung frei erfunden ist, ist sie wahrscheinlich unberechtigt.
Es gibt dann für den Betroffenen sogar die Möglichkeit,
den Spieß umzudrehen und den Abmahner in ein Verfahren zu
ziehen. Dort muss der Anspruchsteller beweisen, dass Sie als Abgemahnter
irgendwann irgendwas falsch gemacht haben.

abcde: Muss man denn immer mit einem Gerichtsverfahren
rechnen, wenn man die Abmahnung ignoriert?

David Ziegelmayer: Ja.

Hadron: Abmahnung als Geschäftsmodell: 50.000
bis 70.000 Abmahnungen, aber genau null einstweilige Verfügungen
und nicht einmal zehn Gerichtsverhandlungen. Macht da die 50 Euro-Deckelung
nicht doch Sinn? Einfach um einen Missbrauch des Rechtsmittels Abmahnung
zu verhindern?

David Ziegelmayer: Was hätte das zur Folge? Ich kenne Rechteinhaber,
die freundliche E-Mails an die Verletzer geschrieben haben und dafür
ausgelacht wurden. Kommt die 50-Euro-Regelung, wird es vielleicht
mehr freundliche E-Mails, aber sicher auch mehr einstweilige Verfügungen
geben, weil Abmahnungen von normalen Menschen (leider zu Unrecht)
nicht so ernst genommen werden wie Abmahnungen von Anwälten.
Zu dem „Geschäftsmodell": Jede Abmahnung birgt die
Gefahr einer negativen Feststellungsklage und Haftungsrisiken für
den Anwalt.

hobbykellner: Was halten Sie eigentlich von Bloggern,
die sich gegen Abmahnungen wenden und öffentlich darüber
schreiben, zum Beispiel auf dem
Abmahnblog
?

David Ziegelmayer: Die Meinungsfreiheit ist grundgesetzlich garantiert
und ich freue mich immer über Diskussionen zu dem Thema. Auch
ist es manchmal sinnvoll, wenn so genannte „Abmahn-Opfer"
sich austauschen. Man sollte nur nicht vorschnell dazu neigen, gleich
jede Abmahnung in die öffentliche Diskussion zu zerren. War
die Abmahnung nämlich berechtigt, wird man sich Einigungsmöglichkeiten
verbauen. Wer es darauf ankommen lassen will, braucht viel Zeit
und Geld.

Moderatorin: Uns haben auch einige allgemeinere Fragen zum Internetrecht
erreicht:

snob: Kann ich die Grafik von Google-Maps als
„Kamerafahrt" in einen gewerblichen Werbetrailer (Video)
einbauen?

David Ziegelmayer: Erst kürzlich hat das Landgericht München
entschieden, dass solche Karten urheberrechtsfähig sind. Kann
sein, dass es Google nicht juckt, wenn Sie so etwas tun. Kann aber
auch nicht sein – und dann wird es wieder teuer.

hobbykellner: Was kann mir denn passieren, wenn
ich nicht meinen vollen Namen im Impressum angeben – oder erst gar
keines anlege?

David Ziegelmayer: Wenn Sie ein Anbieter sind,
der unter das Telemediengesetz (siehe oben) fällt, drohen Ihnen
Bußgelder. Aber auch Wettbewerber oder zum Beispiel die Verbraucherzentralen
könnten sich daran stören und Sie – was sonst – abmahnen.

Moderatorin: Anmerkung zur nächsten Frage: Doppelter Opt-In
bedeutet, dass man die Anmeldung zu einem E-Mail-Newsletter oder
einem ähnlichen Dienst bestätigen muss, in dem man eine
Mail mit einem Aktivierungslink erhält.

newsletter: Seitdem unser Newsletter vor Jahren
auf Double-Opt-In umgestellt wurde, sind die Wachstumsraten auf
ein eher enttäuschendes Maß zurückgegangen. Wie
streng muss man sich heutzutage an Double-Opt-In im Medien-Newsletter-Bereich
halten? (Wir versenden keine gewerblichen Sachen)

David Ziegelmayer: Das Double-Opt-In ist die sicherste Möglichkeit,
sich vor Angriffen von Wettbewerbern oder Privaten wegen unerbetener
Werbung zu schützen. Wenn Sie es nicht einsetzen, können
Sie ohne Verifikation des Abonnenten nie sicher sein, ob nicht Dritte
Ihren Dienst manipulieren.

katzeshakira: Wie ist WiKisource
zu betrachten; darf man diese Quellen bedenkenlos in eigenen Blogs
oder auf eigenen Seiten zitieren?

David Ziegelmayer: Auch hier gilt: Sie können gerne jeder
„offenen Lizenz" im Netz trauen. Wenn sich aber irgendwann
ein Rechteinhaber meldet und sagt, dass er solche Lizenzen nie erteilt
hat, stehen Sie im Regen. Sie können dann höchstens versuchen,
sich bei Wikisource schadlos zu halten. Ich würde keiner Lizenz
trauen, solange ich die Kette bis zum Urheber nicht kenne.

moko: Noch eine Frage zu den Abmahnungen wegen
Urheberrechtsverletzung. Ist nach Zahlung und Abgabe der Unterlassungserklärung
weiteres zu erwarten ? Beides fristgerecht erfolgt.

David Ziegelmayer: Nur dann, wenn Sie sich nicht an diese Erklärung
halten und denselben Verstoß erneut begehen. Dann müssen
Sie an den Abmahnenden eine hohe Vertragsstrafe zahlen.

Smiers: Darf man in seinem Online-Shop die Preise
von Wettbewerbern nennen?

David Ziegelmayer: Die Frage ist mir etwas zu
pauschal. Vielleicht sagt Ihnen das Stichwort „Baumarktkrieg"
(„20 Prozent auf alles, gehen Sie nicht zur Konkurrenz“
et cetera…) etwas. Eine vergleichende Werbung ist grundsätzlich
zulässig, muss aber nachvollziehbar sein und darf den Wettbewerber
nicht verunglimpfen. Die Nennung eines ganz bestimmten Wettbewerbers
bei Preisvergleichen halte ich für bedenklich.

Moderatorin: Und zum Schluss noch eine Frage zum
Kanzlei-Blog:

d_sauer: Wie ist Ihre Anwaltskanzlei eigentlich
auf die Idee gekommen, ein Blog zu starten? Wie wird das von Ihren
Klienten aufgenommen?

David Ziegelmayer: Wir wollten auch ins Web 2.0. Im Ernst: Ich
schreibe gerne, bin manchmal Journalist und will mich mitteilen.
Wie andere Blogger auch. Viel Feedback von eigenen Mandanten bekommen
wir nicht. Es sind eher „externe" Leser. Aber manchmal
ergibt sich natürlich ein Mandat.

Moderatorin: Das waren schon wieder 60 Minuten
Blogsprechstunde. Danke an alle für die vielen Fragen und danke
natürlich an Herrn Ziegelmayer für die Antworten. Am nächsten
Dienstag gibt es an dieser Stelle Tipps für Blog-Neulinge von
Thomas Praus, der unter anderem bei stylewalker.net
und dem meinungsmacherblog
bloggt: 17. Juli von 16.00 bis 17.00 Uhr. Das letzte Wort für
heute hat David Ziegelmayer

David Ziegelmayer: Danke für die Einladung.
Meine Finger kommen jetzt in warmes Wasser.