Am 24. Juli 2007 war Don Dahlmann Gast in der
Blogsprechstunde. Sein Weblog "Irgendwas ist ja immer"
füllt der Journalist seit 2001 mit Einträgen. Außerdem
betreibt er ein Info-Blog zum Thema Abmahnungen und schreibt für
die Debatten-Seite der "Welt" über die deutsche TV-Landschaft.

Moderator:
Hallo liebe Nutzer, liebe Blogger und Blog-Neulinge. Herzlich
willkommen zur Blogsprechstunde, dem Chat von politik-digital.de
in Kooperation mit den Blogpiloten. Heute beantwortet Don Dahlmann
von 16.00 bis 17.00 Uhr Fragen rund um das Thema Blogs.
Hier ist es jetzt 16 Uhr. Hallo Don, können wir anfangen?

NoReply: Was ist denn die skurrilste, unglaublichste
Abmahnungsgeschichte, die Sie bis jetzt gehört haben?

Don Dahlmann
Don Dahlmann
Journalist und Blogger

Don Dahlmann: Ohje, da gibt so viele. Die meisten
Abmahnungen, vor allem im Blogbereich, sind ja merkwürdig.
Aber eine, bei der mir wirklich die Kinnlade auf den Boden fiel,
war erst neulich.
Da mahnte ein Fotograf einen Kunden ab, weil er die Portraitfotos
auch online verwendet hatte, was nach Meinung des Fotografen nicht
Teil des Deals war. Da fragt man sich schon, wo man lebt. Die ganze
Geschichte gibt es hier.

Moderator: War – rein rechtlich gesehen – der
Fotograf denn im Unrecht?

Don Dahlmann: Nach Ansicht des Gerichtes in Köln
war er das wohl nicht, aber das Urteil ist noch nicht rechtskräftig
soweit ich weiß.

Dirk: Wie kam es dazu, dass du das Abmahnungsblog
eingerichtet hast?

Don Dahlmann: Die Idee hatte ich im letzten Herbst,
als eine erste Abmahnungswelle über die Blogszene reinbrach
und ich mich selber darüber ärgerte, dass a) sowas überhaupt
passiert und b) die einzelnen Abmahnungen in den Blogs einfach untergingen.
Ich dachte, es sei eine gute Idee, die Abmahnungen zu sammeln und
zentral vorzustellen. Außerdem wollte ich eine zentrale Stelle
haben, auf der solche Sachen gesammelt werden, damit man sich Rat
und Hilfe holen kann. Denn die meisten Menschen wissen im ersten
Moment nicht, was man gegen eine Abmahnung tun kann. Dank der Suchmaschinen
findet man jetzt schnell Hilfe.

ottokar: Ist es persönliches Empfinden, dass
das Ausmaß an Abmahnungen erst in den letzten Monaten zugenommen
hat? Woran liegt das? Es werden ja nicht erst jetzt ein paar Leute
angefangen haben, copyright-geschützte Bilder zu veröffentlichen.

Don Dahlmann: Schwer zu sagen, ob das wirklich
mehr geworden ist oder ob Blogs und das Netz durch die Suchmöglichkeiten
dafür sorgen, dass mehr Fälle bekannt werden. Ein weiterer
Grund ist wohl, dass viele Firmen mal schauen, was man so über
sie im Netz schreibt. Und manche lesen eben eine Kritik und nehmen
sie sich nicht zu Herzen, sondern schicken eine Abmahnung. Darüber
hinaus wird natürlich oft gegen das sehr eng gefasste Copyright-Gesetz
verstoßen. Mp3s und Bilder sind die Dinge, die am meisten
kopiert werden.

rodel: Wer gibt denn Hilfe und Rat im Abmahnblog?

Don Dahlmann: Rat geben kann da jeder, der es
will. Das Abmahnblog ist keine Rechtshilfeseite, sondern will (und
darf) nur Hinweise geben, was man machen kann, wenn man eine Abmahnung
erhalten hat. Der gängigste Rat lautet da immer: Zum Anwalt
gehen.

plumps: Wo finde ich denn Hilfe, wenn ich eine
fragwürdige Abmahnung erhalte? Du erwähntest vorhin gewisse
Suchmaschinen im Netz?

Don Dahlmann: Hilfe bekommt man bei seinem Anwalt.
Wer einen Anwalt sucht, der sich aufs Abmahn/Medienrecht spezialisiert
hat, muss über die Rechtsanwaltskammern gehen oder kann bei
jurablogs.com schauen. Da werden die Blogs von Anwälten gelistet.
Mit den passenden Suchbegriffen kann man schauen, ob man einen Anwalt
findet, der über das Thema schon mal was geschrieben hat.

Moderator: Zwei Fragen zu einem Thema:

abgemahnt: Zerstört diese ganze Abmahnindustrie,
die sich da gegen Blogger aufbaut, den Geist der Blogosphäre?

Mensa: Machen Abmahnungen die Blogosphäre
kaputt?

Don Dahlmann: Die „Abmahnindustrie“
gab es schon lange vor dem Internet und den Bloggern. Es scheint
Anwälte zu geben, die daraus ein Geschäftsmodell machen.
Es sind nicht Abmahnungen, die das Netz gefährden, sondern
die Gesetze die dahinter stecken. Sich gegen Abmahnungen zu wenden
ist schön und gut, aber es hilft wenig, wenn gleichzeitig das
Persönlichkeitsrechte immer weiter verschärft wird. Aber
das Netz und auch die Blogszene haben immer wieder bewiesen, dass
man durch solche Angriffe eher zusammenwächst anstatt sich
auseinander treiben zu lassen.
Die Angriffe der Musikindustrie haben das ja deutlich bewiesen.

target: Müssen diese Gesetze geändert
werden? Wie soll das Persönlichkeitsrecht dann aussehen?

Don Dahlmann: Ich bin kein Jurist, dass kann ich
nicht sagen. Vielleicht ist es eher so, dass man die Meinungsfreiheit
stärker als das Persönlichkeitsrecht einstufen sollte.
In den USA ist das ja der Fall und es funktioniert auch prächtig.
Es wäre also eine gute Lösung, wenn man die Meinungs-freiheit
nach Artikel 5 Grundgesetz einfach verstärken würde. Das
würde dem Netz sicher sehr helfen.

Moderator: Themenwechsel:

eman resu: Was hat dich eigentlich zum Bloggen
gebracht – und die ganze Zeit dabei gehalten? Findest du Weblogs
immer noch so spannend wie zu Beginn?

Don Dahlmann: Ich finde es heute sogar noch spannender
als damals, als ich angefangen habe. Ich bin dazu gekommen, weil
ich damals eine Art elektronischen Zettelkasten für meine Notizen
gesucht habe. Da ich analoge Zettel immer verschlampt habe, schien
mir das eine gute Lösung. Daraus ist dann langsam aber sicher
immer mehr geworden. Heute gibt es ja nicht nur Blogs, sondern auch
Twitter, Flickr, Xing, Facebook usw.. Da tut sich soviel und das
ist so spannend, dass ich gerade nach einer Lösung suche, wie
ich all meine Aktivitäten im Netz auf einer Seite zusam-menfassen
kann. Sozusagen Blog 2.1.

ant: Hat sich irgendwas im Laufe der Zeit inhaltlich
verändert?

Don Dahlmann: Oh ja! Manchmal wäre ich froh,
wenn ich kein Archiv hätte, so „merkwürdig“
erscheinen mir manche Sachen, die ich früher geschrieben habe.
Ich habe das Blog immer als Teil meiner Persönlichkeit gesehen,
und man verändert sich ja im Laufe der Zeit. Und mit der eigenen
Veränderung kommt auch die Veränderung im Blog. Am Anfang
war es wirklich nur ein Zettelkasten, dann habe ich viel in Richtung
Literatur im Netz gemacht und seit einem Jahr ist eine politische
Variante dazu gekommen. Wer weiß, was für Ideen ich nächstes
Jahr habe. Sollte ich mal Kinder in die Welt setzen, landen die
vermutlich auch im Blog :).

Kofi: Du bist ja Journalist – für wen schreibst
du denn über was?

Don Dahlmann: Ich bin freier Journalist und schreibe
für unterschiedliche Auftraggeber. Die alle aufzuzählen,
würde den Rahmen sprengen. Aber da war in meinem beruflichen
Leben schon (fast) alles dabei. Von der "Zeit" bis zum
"Goldenen Blatt" (peinlich, aber wahr).

politics: Macht es dir nichts aus, dass auch recht
persönliche Dinge über dich im Internet stehen?

Don Dahlmann: Ich kontrolliere ja, was ich raus
gebe und was nicht. Wer mein Blog kennt, weiß, dass bestimmte
Themen nicht vorkommen. Ich schreibe kaum etwas über meinen
"real life"- Freundeskreis oder auch über meine Beziehung.
Ich schreibe über Dinge, die meist nur mich alleine betreffen
und wo niemand anders drin vorkommt. Wenn ich das mal mache, dann
frage ich auch vorher nach, ob es okay ist, wenn ich dies oder jenes
schreibe. Aber es macht mir selber nichts aus, wenn wildfremde Leute
sehen oder lesen, was mich gerade beschäftigt oder was ich
zum Mittag-essen hatte.

geschmacksneutral: Hat sich die Blogoshäre
in den letzten Jahren verändert?

Don Dahlmann: Ja, das hat sie. Sie ist definitiv
interessanter geworden, weil immer mehr Menschen interessante Dinge
in immer mehr Blogs schreiben. Dazu kommt, dass die Blogosphäre
politischer geworden ist. Es ist schon erstaunlich, was sich da
im letzten Jahr allein getan hat. Blogs machen sich die Mühe,
die klassischen Medien zu hinterfragen, aber sie machen auch aufmerksam,
was sich in der Politik so tut. Ohne Blogs würden wir wahrscheinlich
nicht die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung haben. Auch
beim G8 Gipfel hat man gesehen, was Blogs im Sinne einer politischen
Berichterstattung abseits der Medien, die sich nur auf dpa- Meldungen
verlassen, leisten können. Allein beim G8-Gipfel sind mehrere
Falschmeldungen auf Grund von Blogrecherchen aufgeflogen. Ich hoffe,
dass sich dieser Trend auch weiter fortsetzt.

onkel benz: Sollten auch Politiker mehr bloggen?

Don Dahlmann: haha…eines der Grundgesetze des
Bloggen ist, dass man seine Meinung ehrlich sagt. Ich sehe da dann
doch eine große Kluft zwischen einem Politiker und Bloggern.
Aber es gibt ein paar Politiker die schon unterwegs sind. Katja
Husen
ist so eine, deren Blog ich ab und an gerne lese.

kriechtier: „Leiden“ die Berichte
in Blogs nicht darunter, dass viel zu wenig recherchiert und oft
einfach mal behauptet wird?

Don Dahlmann: Das Problem sehe ich nicht als so
gravierend, wenn es denn bei den Blogs, die viel gelesen werden,
überhaupt vorkommt. Einerseits werden Blogeinträge, wenn
sie falsche Informationen enthalten, relativ schnell in den Kommentaren
oder durch andere Blogeinträge korrigiert. Andererseits wird
da gerne auch mal was verwechselt. Blogs spiegeln eben nur die Meinung
eines Einzelnen wieder. Nicht mehr, nicht weniger. Dass sollte man
als Leser immer im Hinterkopf behalten. Klassische Medien geben
vor, eine „ausgewogene“ Meinung zu repräsentieren,
da muss man also nicht mehr viel nachdenken. Blogs hauen eine Meinung
raus. Darüber kann ich mich dann aufregen und zum Beispiel
nachsehen, ob das auch so stimmt, was der Autor da von sich gibt.
Blogs animieren zum Nachdenken. Sowas ist ja nicht das schlechteste,
wenn man sich eine eigene Meinung bilden will.

Adicool?: Wie stehst Du zu Werbung in Blogs?

Don Dahlmann: Solange sie nicht in den Inhalt
eingreifen und so lange der Blogger nicht durch die Werbeeinnahmen
aus seinem Blog lebt, ist mir das wurscht. Wer aber den Fehler macht,
zu glauben, er könne durch „paid content“ und Werbebanner
sein Leben finanzieren (auch nur Teile des Lebens) – der ist auf
dem Holzweg, und macht den gleichen Fehler, den die Verlage vor
Jahrzehnten gemacht haben. Ich hab meine paar Einnahmen aus diesem
Jahr fast vollständig meinem Bloghoster „Antville“
gespendet.

blogtoy: Warum soll der Blogger nicht aus seinen
Werbeeinnahmen leben?

Don Dahlmann: Weil er sich in ein Abhängigkeitsverhältnis
zu seinen Werbekunden begibt. Wenn ich Angst habe zu schreiben,
die neue Kamera der Firma XXX sei Mist, nur weil die gerade bei
mir ein Banner laufen haben oder weil der Bannervermittler sagt,
dass sowas bei den Kunden schlecht ankommt, dann habe ich schon
eine Form der inneren Zensur. Das passt nicht zu Blogs. Man sollte
schauen, dass man so unabhängig wie möglich bleibt.

mspro: Welche Überlegungen haben dazu geführt,
dass du die yahoo! Werbung nicht auf deinem Blog zugelassen hast?

Don Dahlmann: Ich mochte Yahoo noch nie besonders.
Einfach eine Frage der persönlichen Meinung. Ich habe da auch
nicht überlegen müssen oder mir deren Firmenpolitik noch
mal angesehen. Meine Abneigung rührt noch aus den 90er Jahren,
weil ich dieses merkwürdige Konzept von Yahoo, das Internet
in Kategorien zu packen, die alle hübsch familienfreundlich
sind, noch nie leiden konnte.

laya: Wie bist du dazu gekommen, für die
Welt-Debatte zu schreiben und wie findest du das ganze Projekt?
Ein Modell mit Zukunft?

Don Dahlmann: Die haben mich angesprochen und
ich hab zugesagt. Das ganze Projekt finde ich spannend, weil es
die Meinungen von Lesern, Journalisten. Politikern, Bloggern usw.
auf eine Seite zusammenfasst. Ich glaube, dass das Projekt noch
am Anfang ist und das wahre Potential noch nicht gezeigt hat.

aabbcc: Du bist ja auch auf Twitter unterwegs
– warum? Wie findest du dieses „Microblogging“? Liegt
hier vielleicht die Zukunft des Bloggens?

Don Dahlmann: Twitter ist eine gute Idee, weil
es das „Microblogging“ eingeführt hat. Es ist aber
nur eine Form des Bloggens und ich suche gerade nach einer technischen
Lösung, wie man diese Web 2.0 Sachen, die alle im Netz verstreut
sind, im eigenen Blog zusammenfassen kann. Ich glaube nicht, dass
es die Zukunft des Bloggens darstellt, sondern nur eine Erweiterung
im Bereich „soziale Netzwerke“" darstellt.

Rantanplan: Wie hast du das Wachsen/Expolideren
von Blogs erlebt?

Don Dahlmann: Mit großem Erstaunen :). Ich
hätte nicht mal vor zwei Jahren gedacht, dass klassische Medien
plötzlich über Blogs schreiben. Das ist auch meiner Meinung
nach erst der Anfang einer komplett neuen Entwicklung bei den Medien
und Blogs sind ein Teil davon.

Moderator: Nochmal zur Welt-Debatte:

rodel: Was hältst du den vom Gegenchecken
der Beiträge der Welt-Debatte durch die Chefredaktion? Schon
mal davon betroffen gewesen?

Don Dahlmann: Nein, meine Beiträge werden
vor der Veröffentlichung auch nicht gegengelesen. Das passiert
nur bei Blogs von eigenen Redakteuren. Ich finde es aber schade,
dass man das macht.

Moderator: Und zum Schluss die Frage nach dem
Lieblingsblog:

arzt im einsatz: Welche Blogs / Blogger liest
denn Don Dahlmann?

Don Dahlmann: Ohje – da gibt es so viele.
Anke Gröner
, Nico
Lumma
, wirres,
Stefan
Niggemeier
, aber auch Seiten wie das Blog von
fefe
, der Tagesschau
oder von supatyp
zur täglichen Lektüre. Die meisten lese ich über
RSS Feeds.

Moderator: Das waren 60, na, 62 Minuten Blogsprechstunde.
Vielen Dank für die vielen Fragen und danke an Don Dahlmann
für die Antworten. Das letzte Wort hat unser Gast:

Don Dahlmann: Das hat eine Menge Spaß gemacht
und vielen Dank für die vielen interessanten Fragen. Danke
auch für die Einladung zu diesem Chat.

Moderator: Zum Schluss noch eine Ankündigung:
Nächste Woche, am 31. Juli, ist Annik Rubens, Podcasterin von
www.schlaflosinmuenchen.net,
ab 16.00 Uhr unser Gast. Fragen können Sie bereits hier
stellen: