Die Rolle der Medien in der Politikvermittlung hat in der Vergangenheit immer mehr an Bedeutung gewonnen. Der Autor Ulrich Sarcinelli befasst sich in seinem neuesten Buch mit den Auswirkungen, die die Medien auf den Prozeß der Politik haben. Daniel Florian hat das Buch für politik-digital.de rezensiert.

Im Zusammenhang mit Begriffen wie \’spin doctor\’, \’Mediendemokratie\’ oder \’Public Affairs\’ ist politische Kommunikation in den letzten zehn Jahren zu einem der wichtigsten Schlagworte in der Politikwissenschaft geworden. Und obwohl sich nur langsam eine eigene politikwissenschaftliche Disziplin und einige einzelne Studiengänge herausbilden, ist das Thema als \’Wahlkampfkommunikation\’ oder \’agenda setting\’ eigentlich schon immer Teil des universitären Curriculums. Ulrich Sarcinelli, der Autor des Buches und Leiter des Instituts für Sozialwissenschaften der Universität Koblenz-Landau, hat bereits unzählige Publikation dazu veröffentlicht. Der als Lehrbuch im vs Verlag für Sozialwissenschaften erscheinende Band \’Politische Kommunikation in Deutschland\’ ist der letzte Eintrag auf Sarcinellis umfangreicher Publikationsliste.

Der Interdisziplinarität des Faches, mit dem sich unter anderem die Kommunikationswissenschaften, die politische Soziologie und eben die Politikwissenschaften beschäftigen, setzt Sarcinelli – mit gutem Grund – eine Konzentration auf letztere entgegen. Sein Interesse gilt den Rückwirkungen, die die Professionalisierung der politischen Kommunikation und die Mediatisierung der Politik auf das politische System haben. Es geht also nicht um die Frage, wie Kommunikation effizient zur Durchsetzung politischer Ziele genutzt werden kann, sondern welche Auswirkungen sie auf die Herstellung von Politik hat. Sarcinellis betrachtet dabei fokussiert die einzelnen Akteure und Institutionen .
Politik und Medien, so Sarcinellis (nicht mehr ganz neue) These, stehen in einem symbiotischen Verhältnis: Die Politik braucht die Medien zur Vermittlung ihrer Programme, und die Medien brauchen die Politik als Quelle von Informationen. Darüber hinaus ist Politik in einem demokratischen System zustimmungsabhängig und daher öffentlich begründungspflichtig: Politik ist ohne Kommunikation also nicht zu haben. Aber: verfügt das deutsche System über die institutionellen und medialen Voraussetzungen, Politik effizient zu vermitteln? Sarcinelli zufolge gibt es hier Nachbesserungsbedarf. Der Einfluss der Medien auf die Politik, die sich etwa durch Prominenzierung, Zuspitzung und Vereinfachung auszeichnet, führt zum Beispiel zu einem Bedeutungsverlust von Parteien und dem Parlament – den klassischen politischen Institutionen in Deutschland.
Auch die Medien selbst ändern sich: An die Stelle der Partei- und Meinungspresse des 19. Jahrhunderts treten gewinnorientierte anstelle von gemeinwohlorientierten Medien, die distanziert zum politischen System stehen. Sie wollen nicht (nur) die politische Debatte prägen, sondern sind zunächst kommerziellen Interessen verbunden. Dennoch scheinen die Medien der Politik häufig eine Nasenlänge voraus zu sein. Institutionelle Legitimität, die durch das Parlament oder die Partei vermittelt wird, nimmt zugunsten von medial vermittelter Legitimität ab. Der Kanzler a. D., der mit Bild, BamS und Glotze regieren wollte, ist hier nur das beste Beispiel.
Aber Sarcinelli betrachtet in seinem Band nicht nur die Akteure, sondern diskutiert auch wichtigen theoretische Begriffe wie Legitimität, Öffentlichkeit und Symbolik. Leider bleibt er dabei oft bei der Mediendemokratie hängen, die in anderen Büchern bereits umfangreich diskutiert wurde (z.B. Thomas Meyer, Mediokratie 2001). Auf politische Kommunikation jenseits der etablierten (Print-) Medien geht Sarcinelli hingegen nicht ein. Wie beeinflussen etwa Lobbyisten, Sozialkampagnen, Public Affairs-Agenturen und Denkfabriken wie beispielsweise die Bertelsmann Stiftung die Politik? Einzelne Studien zu diesen Fragen existieren bereits. Es wäre lobenswert gewesen, eine Übersicht über diesen noch jungen Bereich in ein Lehrbuch über politische Kommunikation zu integrieren.
Oft wiederholt Sarcinelli auch lediglich, was aus den Medien oder vom Stammtisch schon längst bekannt ist: Dass es oft wichtiger ist wie man ankam als was man gesagt hat oder dass Telegenität für die Auswahl von politischem Führungspersonal immer wichtiger wird. Der Autor erklärt allerdings nicht, warum das so ist: Weil unser Gesamteindruck einer Persönlichkeit zu 55 Prozent von der Körpersprache, zu 38 Prozent von der Stimme und nur zu 7 Prozent vom Inhalt des Gesprochenen bestimmt wird und weil wir an der Gestik und Mimik eines Redners unterbewusst merken, ob er lügt oder die Wahrheit sagt. Das ist – und Sarcinelli betont dies – nicht das eigentliche Thema des Bandes, dass sich mit der Rolle politischer Kommunikation in der Demokratie beschäftigt, sollte aber dennoch nicht unerwähnt bleiben, wenn sowieso schon über Telegenität gesprochen wird.
Für einen Band über politische Kommunikation ist das Buch daher nur sehr bedingt zu empfehlen, da der Fokus zu einseitig auf den traditionellen Medien liegt und neuere Formen der politischen Kommunikation dafür vernachlässigt werden – genauso wie neue Medien übrigens: das Internet wird lediglich am Rande erwähnt. Wer allerdings einen Einstieg in das Thema „Mediendemokratie” sucht, wird bei Sarcinelli fündig werden.