Dirk Olbertz hat das „Blog-Buch“ geschrieben, und weil er als aktiver Blogger und Weblogdienst-Betreiber ein Mann vom Fach ist, konnte man auf fundierte Einblicke hoffen. Diese Erwartungen werden enttäuscht. Eine Rezension.

An Weblogs kommt man nicht mehr vorbei. Sie sind kein Geheimtip mehr. Das sieht man daran, dass es mittlerweile Preise gibt für die besten, schönsten, klügsten Weblogs, und dass auch die Medien, die üblicherweise nicht jede Kuh durch’s globale Dorf treiben, nicht nur über, sondern auch in Blogs publizieren. Die Zeit ist dabei besonders eifrig.
Da aber mittlerweile fast jeder fast alles zu Weblogs gesagt und geschrieben hat, und weil am englischsprachigen Horizont schon die nächsten Trends leuchten – Stichworte Furl und Flickr – kann man allmählich die Phase der Normalnutzung ausrufen. Insofern sollte, wer damals schon nicht Nirvana vor 15 Zuschauern gesehen hat, aber jetzt mal zu den Leuten der ersten oder wenigstens zweiten Stunde gehören möchte, schleunigst beginnen, eines dieser Wunderdinger mit seinen Alltäglichkeiten zu füttern. Und das ist nicht abwertend gemeint, sind doch gerade die mit Alltäglichem gefüllten Blogs, etwa der shopblogger, die aufschlussreichsten und sympathischsten.
Kein Buch für Fortgeschrittene
Für Weblog-Einsteiger gibt es diverse Stützen in Buchform, und eine davon, das „Blog-Buch“, hat Dirk Olbertz verfasst. Soviel sei also schon verraten: Für Fortgeschrittene ist dieses Buch nicht mehr geeignet, auch wenn der Verlag „Markt + Technik“ das mit dem Untertitel „Weblogs für Einsteiger & Profis“ behauptet.
Der Autor Dirk Olbertz bloggt nicht nur selbst, sondern betreibt außerdem noch den Weblog-Anbieter blogger.de und das Verzeichnis blogscout.de. Er weiß also, wovon er schreibt. Leider lässt er den Lesenden nicht richtig an diesem Wissen teilhaben, sondern beschränkt sich in seinem Buch auf nur drei Weblog-Dienstleister: twoday.net, 20six.de und blogg.de. Löblich, dass Olbertz der Versuchung widersteht, seinen eigenen Dienst anzupreisen; die Eingrenzung auf die drei großen deutschsprachigen Anbieter überzeugt dennoch nicht. Das „Blog-Buch“ ist also nicht nur nichts für Profis – auch wer des Englischen mächtig ist, sollte sich ein anderes Buch zulegen. Eines, das zusätzlich die amerikanischen Originale unter die Lupe nimmt. Wenn er sich denn überhaupt ein Buch zulegen möchte. Und da sind wir beim nächsten Punkt: Ein Weblog einzurichten ist keine große Sache. „Create a blog in three easy steps“, so wirbt ein Anbieter. Wozu also eine gedruckte Bedienungsanleitung? Blogs sind auch deshalb so populär, weil man keine Programmierkenntnisse, ja noch nicht einmal HTML-Kenntnisse benötigt, um seine Weisheit unter’s Onlinevolk zu bringen – und das, im Gegensatz zu Frontpage-Kreationen, in meist ansprechendem Gewand. Für ein Weblog-Buch müssen also weitere Kaufargumente her: Insider-Tricks. Hintergrundwissen. Eine Einordnung des Blog-Booms.
Chancen nicht verwandelt
Das „Blog-Buch“ hat in dieser Hinsicht leider nicht viel zu bieten. Am lobenswertesten sind die Ausführungen zur Impressumspflicht, zur Unwirksamkeit der beliebten „Disclaimer“ und zu Urheberrechtsverletzungen beim Einbau fremder Bilder. Zunächst aber führt uns Olbertz umständlich von der Registrierung und Bloganmeldung bei den drei Anbietern bis zum ersten Eintrag. Als Illustrationen dienen natürlich Screenshots ebenjener meist selbsterklärenden Seiten, die der Leser auch auf dem Bildschirm hat. Nebenbei erwähnt Olbertz, dass einer der 20six.de-Gründer zuvor das Auktionshaus Ricardo.de aufbaute und teuer verscherbelte – weshalb sich ein Teil der Bloggergemeinde vor Kommerzialisierung fürchtete, als er ihr Territorium betrat. Das ist spannend, zumal hier die Grassroots-Aura der Blogger durchschimmert, und hätte Anknüpfungspunkt sein können für nähere Betrachtungen der Szene und des sich formierenden Marktes – etwa der Übernahme des mächtigen US-Dienstes blogger.com durch Google. Diese Chance lässt Olbertz verstreichen.
Wetterboxen statt Empfehlungen
Er vermeidet es auch, eine Empfehlung für einen Weblog-Anbieter auszusprechen. Zwar sind die Anbieter mit sehr unterschiedlichen Features ausgestattet – eine Beratung anhand der Nutzungsabsichten (Etwa: „Wenn sie mit mehreren Autoren ein foto-intensives Weblog betreiben wollen, greifen Sie zu Anbieter X“) wäre aber genau deswegen die Mühe und den Platz wert gewesen.
Stattdessen widmet Olbertz sich im Kapitel „Blog-Tools“ auf fast vier Seiten der Frage, wie man einen aktuellen Wetterbericht in sein Blog hineinbastelt – wo man doch schon der Hoffnung war, dass die um die Jahrtausendwende in jeder privaten Homepage eingebauten Wetterboxen endlich ausgedient hätten.

Von der Entwicklung überholt
Und schließlich: Das Printprodukt zu einem Internetphänomen ist quasi bei Erscheinen schon veraltet. Das gilt auch für das Phänomen „Weblogs“, und man merkt es in diesem Fall besonders bei blogg.de. Dieser Dienst hat mittlerweile einen WYSIWYG (What you see is what you get)-Editor und der „Wizard“ zum eigenmächtigen Redesign der Layoutvorlagen ist nun auch in der kostenlosen Weblog-Version enthalten. Neu ist auch das „Tagging“ von Weblog-Einträgen, eine Verschlagwortung also, die das Suchverhalten im Internet bald deutlich beeinflussen wird. Bei allen diesen Merkmalen ist das „Blog-Buch“ bereits heute, im ersten Jahr nach Erscheinen, völlig überholt.
Das mag der Grund dafür gewesen sein, dass „Markt + Technik“ das Buch im März zum kostenlosen Download angeboten hat. Leider aber nur im März. Zwar kann man nämlich trotz Lücken und Inaktualität das „Blog-Buch“ als kostenlose Begleitung für den Anfänger durchaus empfehlen – von der Entscheidung, es für 9,95 € zu kaufen, ist aber abzuraten.