Medienpolitik hat sich in der modernen Gesellschaft als eigenständiges Politikfeld etabliert. Dabei sind ihre Akteure, Institutionen und Strukturen zugleich Gestalter und Geformte des Wandels unserer Lebensumstände zur Informationsgesellschaft. Der vorgestellte Band sammelt Beiträge des Autors Manfred Mai zu verschiedenen Aspekten der Medienpolitik der Gegenwart, die zwischen 1996 und 2006 erschienen sind.

Die Aufsätze des Buches „Medienpolitik in der Informationsgesellschaft“ sind durch die Klammer der wissenschaftlichen Herangehensweise an das gesellschaftliche Phänomen Medien miteinander verbunden. Der Autor ist stets von einem politikwissenschaftlichen und soziologischen Erkenntnisinteresse geleitet. Im Mittelpunkt der Analyse stehen Normen, Institutionen und Akteure der Medienpolitik sowie deren Interessen und Positionen. Dabei geraten die Medien nicht als unabhängiges gesellschaftliches Subsystem ins Blickfeld, sondern „werden als Gegenstand der Politik analysiert“. Es werden gegenseitige Abhängigkeiten und Beeinflussungen zwischen Politik und Medien dargestellt und interpretiert.
Die Zweiteilung des Buches spiegelt sich in den zwei Hauptthemenkomplexen wider. Der erste Teil beschäftigt sich mit den theoretischen und politischen Grundlagen der Medienpolitik, im zweiten Teil werden dann die Veränderungen in Politik und Gesellschaft durch die Medien thematisiert. Wie ein roter Faden zieht sich indes die Frage nach der politischen Steuerungsfähigkeit unter den Bedingungen der Informations-Gesellschaft durch den gesamten Band: „Wer steuert wen – die Medien die Politik oder die Politik die Medien?“. Bemerkenswert ist, dass Mai dieses Thema nicht nur inhaltlich behandelt, sondern damit auch theoretische Einsichten vermitteln möchte. Anhand der Medienpolitik überprüft er die Theorien der politischen Steuerung.
Mit der Frage nach der politischen Steuerungsfähigkeit steht letztlich auch eine demokratie-theoretische Perspektive im Zusammenhang. Zum einen ergibt sich die Brisanz einer Steuerung der Medien durch die Politik nur in Demokratien, denn lediglich in solchen Systemen wird eine (durch die Steuerung implizierte) Beschränkung der Medien im Grundsatz abgelehnt. Andererseits besteht gerade in einer unbeschränkten medialen Logik der Informationsgesellschaft eine Gefahr für die Demokratie. Deren Informationsflut könne vom Bürger nicht mehr als Beitrag zur politischen Transparenz wahrgenommen werden, sondern als Überforderung und hierdurch, erklärt der Autor, die demokratische Politik als solche zugunsten eines weniger anspruchsvollen Regime infrage stellen.
Den Anteil, welchen die Informationsgesellschaft mit ihren partizipatorischen Verheißungen zur Weiterentwicklung und Ausgestaltung der (deliberativen) Demokratie leisten, bewertet Mai nicht nur wegen des potenziell demokratiegefährdenden Informationsüberflusses eher kritisch. Grundsätzlich seien von einigen Protagonisten der Informationsgesellschaft die Möglichkeiten insbesondere des Internets überschätzt worden. So werde das Internet von den allermeisten Bürgern eben nicht als Mittel zur demokratischen Partizipation und/oder politischen Kommunikation genutzt, sondern für vielfältige unpolitische Aktivitäten. Ebenso haben sich nach Mai Hoffnungen auf ein verbessertes und effizienteres Regieren mittels der Neuen Medien als Trugschluss erwiesen.
Insgesamt stelle die Informationsgesellschaft die Politik wie auch die Demokratie eher vor neue Herausforderungen, als dass sie neue Chancen eröffne, so der Autor. Durch den Wandel der Medien, dessen Wegmarken Mai an der Einführung des privaten Rundfunks 1984 und an der „digitalen Revolution“ Anfang der 1990er Jahre festmacht, hätten sich die Konditionen der Medienpolitik fundamental verändert. Insbesondere werde die mediale Logik mehr und mehr durch technische und ökonomische Rationalitäten bestimmt. Das hat, wie Mai anschaulich und meist überzeugend mit unterschiedlicher Gewichtung und Pointierung in den jeweiligen Aufsätzen darlegt, mannigfaltige Auswirkungen auf alle drei Dimensionen der Politik (polity, policy, politics). Beispielsweise sei durch die technische Entwicklung die klassische Unterteilung in Rundfunkpolitik als Ländersache und Telekommunikationspolitik als Bundesangelegenheit nicht mehr zweckmäßig, so dass in diesem Bereich das etablierte institutionelle Gefüge des Föderalismus zugunsten einer integrierten Medienpolitik infrage gestellt werden müsse. Der Prozess der Politikgestaltung werde schon allein durch das Auftreten neuer Akteure mit spezifischen Interessen beeinflusst, etwa durch die Zulassung des privaten Rundfunks. Hierdurch verändere sich die Art und Weise der Gestaltung. War sie im analogen Zeitalter hierarchisch geprägt, weil die Rundfunkanstalten im Grunde kaum Verhandlungspotenziale gegenüber der Politik hatten, so nehme der Aushandlungsfaktor, das bargaining, mittlerweile eine dominante Rolle ein. Dies hänge mit der neuen Position und dem erstarkten Selbstbewusstsein der Akteure auf Medienseite zusammen, was seine Ursache wiederum in der gewachsenen ökonomischen Bedeutung der Medien in der Informationsgesellschaft habe. Die Förderung und Ansiedlung von Medienkonzernen werde mit der Hoffnung auf neue Arbeitsplätze verbunden. Der Fokus der Medienpolitik, so Mai, verschiebt sich von der Kulturpolitik zur Standortpolitik.
Die Einsichten, zu denen Mai in seinen Aufsätzen gelangt, mögen zwar nicht alle neu sein, auch mag man seine eher kritische Haltung zum Beitrag des Internets zur politischen Partizipation nicht teilen. Der Band bietet dennoch einen guten Einblick in und zahlreiche Erkenntnisse über die Bedingungen und die Gestaltung der Medienpolitik in der Gegenwart. Zudem werden auch jene fündig, die sich mit theoretischen Problemen der Politik- und Sozialwissenschaften auseinandersetzen möchten. Die Aufsätze sind trotz des gebotenen wissenschaftlichen Duktus meist gut lesbar.