(Buchbesprechung) Ist Napster Teil einer subversiven Bewegung? Kann Open Source die kapitalistische Logik überwinden? Sabine Nuss weist in ihrer Dissertation “Copyright und Copyriot” nach, dass Datentausch nicht viel mit der Marxschen Theorie zu tun hat. Eine Rezension von Maike Brzoska.

Das Buch „Copyright und Copyriot“ ist weniger aufrührerisch als es Titel und Thema vermuten lassen. Die von der Rosa-Luxemburg-Stiftung geförderte Doktorarbeit ruft weder zum illegalen Musikdownload auf noch verkündet sie eine bevorstehende kommunistische Revolution. Denn in erster Linie ist die 2006 veröffentlichte Dissertation der Politikwissenschaftlerin Sabine Nuss eine theoretische Analyse des marxistischen Begriffes von Eigentum.
Nuss beschreibt die aktuellen Konflikte, die durch die kostenlose Verbreitung von Daten im Internet aufgekommen sind: Anstatt CDs zu kaufen, werden Mp3s heruntergeladen, Tüftler aus der ganzen Welt arbeiten gemeinsam am Linux-Code und verbessern kostenlose Programme. Wenn große Konzerne wie Bertelsmann ihre Gewinne bedroht sehen, reagiert die Politik zwar mit Gesetzen, doch viele der Tauschforen halten sich hartnäckig im rechtlichen Graubereich.
Der kostenlose Austausch von Musik und Programmen unter Nutzern widersprechen dem kapitalistischen Profitstreben. Besonders die Open Source-Bewegung zeigt, dass auch ohne die Aussicht auf einen dicken Gehaltsscheck erstklassige Software entstehen kann. Der Frage, ob es sich dabei um Arbeitsformen im Sinne von Marx handelt oder ob es sich gar um Vorboten des Kommunismus handelt, widmet Nuss gut zwei Drittel des Buches.
Es folgt eine recht langwierige Abhandlung über die Entwicklung des Eigentumsbegriffes von der Antike über die bourgeoisen Anfänge bis hin zum Verständnis des geistigen Eigentums im heutigen Kapitalismus. Bei dem Vergleich von File-Sharing und Open Source mit dem kommunistischen Verständnis von Gütern zeigt Nuss überzeugend auf, dass der kostenlose Datentausch im Internet wenig mit dem Marx`schen Denken gemein hat. Obwohl sich Nuss zu den Gegnern von geistigem Eigentum bekennt, kritisiert sie – vielleicht um die Debatte wieder anzuheizen – die gängigen Argumente derjenigen, die den freien Austausch von digitalen Gütern propagieren.
„Copyright und Copyriot“ ist eine kühle Analyse auf hohem sprachlichem Niveau. Wer sich für subversive Strömungen im Internet interessiert und sich von sozialwissenschaftlichen Theorien nicht abschrecken lässt, den erwartet ein spannender Einblick in den Konflikt um digitale Güter und in die marxistische Forschung.