von A. Bellebaum, H. Schaaf und K.G. Zinn (Hrsg.)Wohlstand, in seiner herkömmlichen Definition als bessere Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, sollte eigentlich die Bedürfnisse der Menschen befriedigen und sie auf diese Weise zufrieden, ja sogar glücklich machen.
Empirisch ist das immer weniger wahr. Zwar gibt es regelmäßige Befragungen zur Lebenszufriedenheit in den meisten Industrieländern erst seit ca. 1960, aber der Rückgriff auf Indikatordaten wie z.B. die Suizidneigung erlaubt es, sogar bis ins späte 19. Jahrhundert zurückzugehen in der Ermittlung von Lebenszufriedenheit. Dabei zeigt sich, dass bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts die Zufriedenheit parallel zum wirtschaftlichen Wachstum anstieg. In den letzten Jahrzehnten aber ist die “Glückseffizienz” der Wirtschaft immer geringer geworden.
Wirtschaftliche Absicherung trägt zu Zufriedenheit und Glück bei, da sie Sorgen und Belastungen mindert, aber zum Glück gereicht der Wohlstand allein nicht, so jedenfalls die Lehren der neueren Psychologie. Gleichwohl produziert die heutige Wirtschaftsform teilweise selbst auch Unglück, wie eine von Zinn herangezogene Studie A. Oswalds zeigt, die nachweist, dass Arbeitslose weit mehr Unglücksgefühle haben als Beschäftigte. Wobei, und das ist bemerkenswert, das Unglücksgefühl der Arbeitslosen umso stärker ist, je höher deren Bildungsgrad ist. Es gibt gute Gründe, anhand solcher und anderer Meßdaten so etwas wie ein Tätigkeitsbedürfnis der Menschen zu postulieren, das unabhängig von der Notwendigkeit der Einkommenserzielung ist – eine Annahme, die dem Vorurteil, alle seien faul und würden ohne Zwang sowieso nichts tun, vollständig zuwiderläuft. Aber selbst wenn man die Nachteile unserer Wirtschaftsweise (Arbeitslosigkeit, Umweltzerstörung) einmal beiseite läßt, so ist doch erklärungsbedürftig, warum die Glückseffizienz des Wirtschaftens mit steigendem materiellem Wohlstand nachlässt.

Buch-Infos
A. Bellebaum, H. Schaaf u. K.G. Zinn (Hrsg.)
Ökonomie und GlückBeiträge zu einer Wirtschaftslehre des guten Lebens.
Opladen-Wiesbaden (Westdeutscher Verlag) 1999
ISBN 3531134086

Das zur Befriedigung der Grundbedürfnisse nötige Einkommen heißt Noteinkommen. Sein Nutzen ist groß und unmittelbar ersichtlich. Wird noch Einkommen darüber hinaus erzielt, so zählt es zum Komforteinkommen, welches es ermöglicht, die Grundbedürfnisse auf eine individuellere Art zu befriedigen und das eine oder andere Hobby zu pflegen. Ein noch höheres Einkommen schließlich wird zum Statuseinkommen gezählt, aus dem Güter finanziert werden, die vor allem wegen ihres Statuswertes erworben werden. Der Statuswert ist umso größer, je mehr man sich von anderen durch diesen Besitz abheben kann. Wenn allgemein der Wohlstand steigt und auch die Preise neuer Konsumgüter schnell fallen, dann gleicht der Statuskonsument dem Hamster im Hamsterrad. Überhaupt ist zu bezweifeln, ob der Statuskonsum dauerhaft zu Glück und Zufriedenheit führt. Diese – völlig unstrittigen – Überlegungen zum Grenznutzen des Konsums sprechen eigentlich für eine stärkere staatliche Umverteilung zugunsten der Ärmsten in der Gesellschaft; dieses Plädoyer hört man aber von liberalen Ökonomen nicht.
Dieser Band füllt eine Lücke, die so etwas wie ein Tabu der herrschenden Wirtschaftswissenschaft ist: die menschlichen Bedürfnisse werden eingehend diskutiert. Wer die – durchaus unterschiedlichen – Vorträge, die auf einer Tagung der RWTH Aachen und des Instituts für Glücksforschung e.V, Vallendar, 1998 in Aachen gehalten wurden und die diesem Band versammelt sind, liest, wird nicht umhin kommen, für den Primat der Politik gegenüber scheinbaren wirtschaftlichen Sachzwängen zu plädieren. Viele Menschen haben nämlich den Eindruck, dass die Wirtschaft ziellos geworden ist. Als Leitbild und Gegenentwurf ist von Pierre Bourdieu die “Glücksökonomie” ins Spiel gebracht worden, ein Vorschlag, den H. Schaaf zum Konzept der “ökologischen Glücksökonomie” erweitert. Wer nicht nur kritisieren will, sonden auch positive Leitbilder wirtschaftlichen Umsteuerns kennenlernen will, dem öffnen einige Beiträge dieses Buches – trotz ihres durchaus akademischen Charakters – neue Fenster.